Die Geschichte hinter den Lebensläufen
Er war Metallarbeiter in einem mittelgroßen Betrieb im Ruhrgebiet. Ursprünglich stammt er aus der
Türkei, war aber in den 60er Jahren als ungelernte Kraft nach Deutschland gekommen. 1990 wurde
der 49?Jährige aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen entlassen. Es begann eine jahrelange
Odyssee, die mit seiner Frühverrentung sieben Jahre später endete. Solche Arbeitsbiografien von 1970 bis 2000 hat Prof. Dr. Lutz Raphael analysiert. Es sind einzelne Schicksale, die ein Stück Gesellschaftsgeschichte aus der Zeit der Post?Industrialisierung erzählen. Seine Forschungsergebnisse hat der Universität?Trier?Historiker in dem Aufsatz "Arbeitsbiografien und Strukturwandel 'nach dem Boom'" zusammengefasst, der nun mit dem ersten Preis für sozialwissenschaftliche Aufsätze der Fritz Thyssen Stiftung ausgezeichnet wurde.
Besonders relevante Fragestellung
Prämiert werden Veröffentlichungen, die wissenschaftlich einer besonders relevanten Fragestellungnachgehen, einen Praxisbezug aufweisen und deren Datenanalyse eine theoretische Anbindung hat.
Mehrere Hundert sozialwissenschaftliche Aufsätze werden jedes Jahr in Deutschland, Österreich und
der Schweiz in Fachzeitschriften veröffentlicht. Jede Fachzeitschrift nominiert einen Aufsatz. Eine
achtköpfige Jury entscheidet dann über die Preisträger. Bereits mehrere Wissenschaftler der Universität Trier haben den jährlich vergebenen Preis der Fritz
Thyssen Stiftung erhalten. 2017 ging er an den Trierer Politikwissenschaftler Dr. Michael Dormal,
2015 an Soziologie?Junior?Professorin Marion Müller. Auch für Prof. Dr. Lutz Raphael ist die mit 1500
Euro dotierte Auszeichnung nicht seine erste. Unter anderem bekam er 2013 den Leibniz?Preis, der
ihm eine Fokussierung auf die Forschung ermöglichte.
Aus den Erfahrungen von Industriearbeitern lernen
Kommendes Jahr erscheint dann auch seine Monografie zur Gesellschaftsgeschichte der Post?Industrialisierung, die wiederum ein Teilergebnis des Gemeinschaftsforschungsprojekts "Nach dem
Boom" der Universität Trier und der Eberhard Karls Universität Tübingen ist. Für seine Analyse hat
Raphael Dutzende Biografien von Industriearbeitern aus Westdeutschland, Frankreich und
Großbritannien verglichen und Metadaten analysiert. "Unser heutiger Sozialstaat und auch
Unternehmen können viel aus den einschneidenden Erfahrungen von Industriearbeitern lernen, die
in Ländern leben, die sich immer mehr weg von der Industrie hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft
entwickeln", sagt Raphael. Wie kann Stellenabbau sozialverträglich gestaltet werden? Wie sollten
Qualifizierungsmaßnahmen von Arbeitern aussehen? Welche sozialen Absicherungsmaßnahmen
muss der Staat ergreifen? Die Schließung oder Verlagerung großer Industriestandorte beispielsweise des Automobilbaus und die Frage nach der Qualifizierung von Geflüchteten für den Arbeitsmarkt zeigen zusätzlich die Aktualität des Themas. Raphael ist sich sicher, dass solche Maßnahmen wie die Frühverrentung des arbeitslosen türkischen Metallarbeiters heute nicht mehr möglich wären. RED
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