Unnützes Wissen? Foto: Pees
Diana Thiesen, 27 (Studentin der Fächer Englisch, Französisch und Politikwissenschaft, derzeit in der Abschlussphase: "Als Geisteswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Literaturwissenschaft schätze ich meine Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt als eine Herausforderung ein. Es gibt einerseits sehr viele Möglichkeiten, andererseits aber auch wiederum sehr wenige, denn wie so oft im Leben kann die Situation mit 'Kommt drauf an…' beschrieben werden. Durch diverse Nebenjobs und ein Praktikum konnte ich bereits einige Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt sammeln. Ohne diese praktischen Erfahrungen sähen meine Chancen wesentlich schlechter aus, denke ich. Ich glaube außerdem, dass es hilfreich ist, wenn man bei der Berufswahl ein wenig unkonventionell denkt und offen sowie flexibel ist. Als Literaturwissenschaftler kann dies bedeuten, dass man in einem Verlag landet, aber auch Kulturinstitute sind eine interessante Perspektive. Letztendlich würde ich eigentlich gerne ganz klassisch an der Universität bleiben und promovieren. Da die Zukunftsperspektiven in diesem Bereich jedoch eher schlecht sind, versuche ich weiter, flexibel und offen zu bleiben und die freien Wirtschaft nicht auszuschließen. Generell habe ich keine große Angst vor Arbeitslosigkeit nach dem Studium, da trotz allem die Zahl der Arbeitslosen mit akademischem Abschluss sehr gering ist. Es wird nach dem Abschluss mit großer Wahrscheinlichkeit kein nahtloser Übergang ins (Vollzeit-)Arbeitsleben stattfinden und ich werde viele Bewerbungen (mit vielen Absagen) schreiben (müssen), aber gut Ding will eben manchmal auch Weile haben." Foto: FF
Jan Kreller, 35 (Student der Fächer Germanistik, Geschichte und Medienwissenschaft): "Deutschland ist Ingenieursland und für seine Expertise im Maschinenbau renommiert. Gleichzeitig heißt es aber auch, Deutschland ist das Land der Dichter und Denker. Die Geisteswissenschaften haben viele kulturelle Eigenleistungen hervorgebracht, angefangen bei der Philosophie bis hin zur Mathematik. In einer modernen, industriell geprägten Arbeitswelt fallen die Geisteswissenschaftler oft durchs Raster, da sie keine materiellen Werte schaffen oder zumindest nicht unmittelbar daran beteiligt sind. Doch eine kulturelle Identität ist ohne die Geisteswissenschaften nicht denkbar. Geschichte, Sprache und ethische Werte werden nicht durch Risszeichnungen oder Baupläne getragen, sondern von speziell dafür ausgebildeten Fachleuten: Die Geisteswissenschaftler." Foto: Pees
Verena Hoppe, 36 (Absolventin der Fächer Germanistik und Volkskunde/europäische Ethnologie, stellvertretende Pressesprecherin im Wissenschaftsministerium NRW): "Wir brauchen die Geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Fächer mehr denn je: Sie sind die Vermittler historischer, kultureller und interkultureller Kompetenz und befördern Lösungsbeiträge für konkrete gesellschaftliche Problemstellungen. Sie sind gerade in Zeiten der Globalisierung, Digitalisierungen, Arbeit 4.0 und den damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen unverzichtbar für eine moderne Gesellschaft. Denn Fortschritt bedeutet mehr als Wachstum, technische Errungenschaften oder Erfindungen. Fortschritt heute bedeutet Lösungen zu finden, die ökologische, ökonomische und soziale Folgen mit denken. Und die die Menschen in die Veränderungsprozesse mit einbeziehen. Der technische Fortschritt verläuft rasant: Neue Werkstoffe, Automatisiertes Fahren, Smart Home, Einsatz von Robotern in der Pflege - um nur einige Beispiele zu nennen. Hier braucht es besonders die Geistes- und Sozialwissenschaften, die diese Entwicklungen begleiten: Nutzen und Risiken müssen wohl abgewogen werden. Denn nicht jede technische Entwicklung ist automatisch mit einem gesellschaftlichen Fortschritt verbunden." Foto: FF
Sabine Friedrich, 27 (Abolventin der Fächer Germanistik und Geschichte): "Wer heutzutage ein geisteswissenschaftliches Fach erlernt, studiert auf Hartz IV. So jedenfalls verteilen Nicht-Geisteswissenschaftler gerne einmal einen Seitenhieb an Historiker, Philosophen oder Kulturwissenschaftler. Doch was wären wir heute ohne Platon, ohne Kant oder Remarque? Das heutige staatliche System hat sich aus vielen Theorien herausgebildet, das Postulat der Aufklärung nach selbständigem Denken zog Emanzipation nach sich. Und was viele vergessen: Die alten Philosophen wie Aristoteles oder Sokrates unterscheiden nicht zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Auch Newton war in gewisser Weise Philosoph. Bis man die Begriffe anfing zu trennen. Leider sieht es zurzeit so aus, dass viele Geisteswissenschaftler nach dem Studium lange arbeitssuchend sind. Sofern sie nicht promovieren, was sie ein paar Jahre von der Arbeitslosigkeit abhält oder einen begehrten Platz im universitären Bereich erhalten, sieht es mau aus. Generation Praktikum macht sich breit. Da hat man bestens ausgebildete, mehrere Sprachen sprechende, arbeitswillige Menschen, die vielfältig einsetzbar wären direkt vor der Nase und will sie nicht." Foto: Pees