Höchstmöglicher Schutz bei hochansteckenden Erregern
Als einzige Klinik in Rheinland-Pfalz verfügt das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier über eine mobile Isoliereinheit der höchsten Schutzstufe. In dieser können Patienten mit Verdacht auf eine hochansteckende Infektion wie Ebola oder Lassa vorübergehend behandelt werden. Im Rahmen einer Gemeinschaftsübung wurde jetzt der Ernstfall geprobt. Experten der Berliner Charité, des Universitätsklinikums Düsseldorf, des Robert-Koch-Instituts, des Kompetenzzentrums für hochpathogene Infektionserreger (KHPI) in Frankfurt am Main sowie des Gesundheitsamts Trier-Saarburg machten sich vor Ort ein Bild von den Abläufen.
Der Frau geht es schlecht: Seit Tagen plagen die 45-Jährige Husten und ein allgemeines Schwächegefühl, ebenso ein hartnäckiger Schnupfen und leichtes, aber anhaltendes Fieber. Nun ist noch Luftnot hinzugekommen. Deshalb entschließt sich die Triererin, das Notfallzentrum im Brüderkrankenhaus aufzusuchen. Als sie Pflegefachfrau Carmen Dußa am Empfang berichtet, dass sie vor zwei Wochen von der Elfenbeinküste zurückkehrt ist, ist klar: Statt einer hierzulande üblichen Erkrankung könnte ein lebensbedrohliche hochkontagiöse Infektion (siehe Extra) vorliegen.Sofort händigt Carmen Dußa der Patientin eine FFP-3-Maske aus und setzt eine Alarmierungskette und damit einen Prozess in Gang, der vor allem zweierlei zum Ziel hat: der Patientin schnellstmöglich zu helfen und zugleich andere Menschen und insbesondere das pflegerische und ärztliche Personal vor einer Ansteckung zu schützen.
Derart umfassend und komplex sind Abläufe und Prozesse in einer derartigen "biologischen Gefahrenlage", dass bereits ihre Übung einen immensen personellen und logistischen Aufwand bedeutet. Im Notfallzentrum des Brüderkrankenhauses wurde dieser Ernstfall nun durchgespielt, mehrere Dutzend Mitarbeitende aus unterschiedlichen Bereichen waren hierbei involviert - inklusive "Patientin" Nadja Wohlrabe, Mitarbeiterin der Klinikhygiene des Brüderkrankenhauses. Dass sie den Part der erkrankten Frau übernahm, wusste nahezu niemand; auch nicht das Team des Notfallzentrums.Dass die Übung parallel zum laufenden Betrieb durchgeführt wurde, stellte noch einmal eine zusätzliche Herausforderung dar. Kaum hatte Carmen Dußa telefonisch den Verdacht auf eine hochkontagiöse Infektion an den diensthabenden Arzt übermittelt, der den Alarm- und Einsatzplan auslöste, begannen sie und der Chefarzt des Notfallzentrums, Professor Dr. med. Guido Michels, die sogenannte Persönliche Schutzausrüstung (PSA) anzulegen: blauer Kapuzenanzug, drei Paar Schutzhandschuhe sowie gelbe und rundumschließende Schutzbrille - allein das Ankleiden einer PSA ist ein Kraftakt; und vor dem Entkleiden ist eine umfassende Dekontamination vonnöten, die ebenfalls nach einem vorgegebenen Schema erfolgt.
Zwischenzeitlich war der Gipsraum inklusive Vorraum des Notfallzentrums komplett geräumt worden, um als funktionelle Isolationseinheit mit Zugangsschleuse zu fungieren. Während Carmen Dußa die "Patientin" an ein EKG anschloss und die Vitalparameter überprüfte, nahm Professor Michels die Anamnese vor; der Chefarzt informierte die "Patientin" auch darüber, dass parallel zusätzliche umfassende Schutzvorkehrungen getroffen würden.
Was damit gemeint war: Wenige Meter entfernt, in der Wagenhalle des Notfallzentrums, machte sich im Auftrag der Einsatzleitung ein Team der Technischen Abteilung daran, eine mobile Isolierstation der Schutzkategorie 3 aufzubauen. In Rheinland-Pfalz verfügt nur das Brüderkrankenhaus über eine derartige Ausrüstung. "Sollte der sofortige Transport auf die Sonderisolierstation des Klinikums der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main zunächst aus medizinischen oder sonstigen Gründen nicht möglich sein, ist vom Gesundheitsamt in Abstimmung mit dem für Rheinland-Pfalz zuständigen Kompetenzzentrum für hochpathogene Infektionserreger (KHPI) in Frankfurt am Main und der obersten Landesbehörde über eine vorübergehende alternative stationäre Unterbringung zu entscheiden", erläutert Markus Dangel, Ärztlicher Leiter der Klinikhygiene das Vorgehen.
Im Zuge der Alarmierungskette war auch das Gesundheitsamt Trier-Saarburg umgehend über den Verdachtsfall informiert worden. Dessen neue Leiterin Sabine Becker eilte sofort ins Brüderkrankenhaus, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Dieses machten sich auch Expertinnen und Experten von Robert-Koch-Institut (RKI), Berliner Charité, Universitätsklinikum Düsseldorf und Kompetenzzentrum für hochpathogene Infektionserreger (KHPI) in Frankfurt am Main. Im kollegialen Austausch gaben sie den Trierer Akteuren manch wertvollen Hinweis und nahmen auch den ein oder anderen Tipp und etliche Eindrücke mit in ihre Institutionen.
Binnen 40 Minuten stand das großräumige und mit der Außenwelt nur über Belüftungen und elektrische Anschlüsse verbundene Zelt. Nach und nach legten nun Fachpflegekräfte und Ärzte ihre gelben Vollschutzanzüge an, die über ein eigenes Belüftungssystem verfügen. Kurz darauf brachte ein Team die Patientin aus dem Gipsraum in die mobile Isoliereinheit. Für Nadja Wohlrabe war die Übung damit beendet, doch für zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Pflege und Medizin galt es nun, im Wechsel das Arbeiten in Vollschutzanzug und Isoliereinheit zu üben. "Wir haben die Möglichkeit genutzt, dass das Zelt aufgestellt war, um unter diesen besonderen Bedingungen bestimmte Tätigkeiten wie beispielsweise das Reanimieren eines Patienten oder die Arbeit mit einem mobilen Dialysegerät zu üben", so Oliver Wetzorke von der Pflegedirektion, der die über Monate vorbereitete Übung federführend koordiniert hatte.
EXTRA: Als lebensbedrohliche hochkontagiöse Infektionen werden gegenwärtig verschiedene, durch Viren ausgelöste und zu Blutungen führende Fieber (Ebola, Lassa, Marburg, Krim-Kongo und möglicherweise weitere Erreger) sowie die Lungenpest und Infektionen durch Orthopoxviren (Affenpocken) angesehen. Keine dieser Infektionen ist bislang originär in Deutschland aufgetreten, sie können aber durch Reisende eingeschleppt werden. Allen Infektionen ist gemeinsam, dass sie von Mensch zu Mensch übertragen werden können und eine hohe Mortalitätsrate haben.
Als überregionales Schwerpunktzentrum verfügt die Abteilung für Innere Medizin I des Brüderkrankenhauses Trier über eine spezielle Isolierstation mit 15 Infektionsbetten. Sie ist auch für die Behandlung hoch ansteckender Patienten geeignet (Sicherheitsstufen III und IV).