Arnt Finkenberg

Kinderarmut vor unserer Haustür!

Trier.  Wir sprachen mit Corinna Engelmann, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Trier über die Situation in der Region.

(Fin). In der jüngsten Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Kinderarmut wird festgestellt, dass in Deutschland die Zahl der von Armut bedrohten Kinder steigt. Zusammenfassend heißt es »in Deutschland ist mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene von Armut betroffen«. Wir sprachen mit Corinna Engelmann, hauptamliche Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes Orts- und Kreisverband Trier e.V. , über die Situation in der Region.

Wochenspiegel: Können Sie diese Zahlen beziehungsweise Entwicklungen für die Region Trier bestätigen?

Corinna Engelmann: Auch wir stellen fest, dass die Armut bei Kindern und Jugendlichen in unserer Region immer mehr zunimmt.

Woran können Sie die Entwicklung feststellen?

Armutsbetroffene Kinder fahren nicht in die Ferien, besuchen keine Sportvereine oder andere Freizeiteinrichtungen. Zudem ist auch bei uns erkennbar, dass die Kinder auch in ihrer Bildung benachteiligt sind. Wir haben hier Kinder, die eine Gymnasialempfehlung bekamen, aber dann aufgrund mangelnder Fördermöglichkeiten und Unterstützung das Gymnasium wieder verlassen mussten. Oftmals können sich die Familien dieser Kinder keine Klassenreise erlauben, oder die Mitgliedschaft in einem Sport- oder Musikverein. Armut grenzt ab! Die steigende Armut bei Kindern, die bei uns im Kinderschutzbund Trier angebunden sind, zeigt sich auch darin, dass Eltern die Termine für ihre Kinder absagen, da ihnen die Fahrkosten durch die gestiegenen Benzinpreise zu hoch sind. Wir bedienen ein großes Einzugsgebiet. Diese Kinder zu Hause zu besuchen, ist aufgrund unserer starken Auslastung leider nur selten möglich. Die Corona Zeit hat uns auch deutlich die Schere zwischen Arm und Reich vor Augen gehalten. Kinder aus ärmeren Familien waren nur schlecht oder oftmals gar nicht mit den technischen Gerätschaften ausgestattet, um am Homeschooling teilnehmen zu können.

Was sind für Sie die wichtigsten Ursachen dieses Anstiegs?

Zum einen ist es die derzeit herrschende wirtschaftliche Krisensituation. Aber auch unabhängig davon liegt die gestiegene Armut bei Kindern und Jugendlichen an den demografischen Veränderungen, den Tendenzen zu anderen Familienformen, Veränderungen am Arbeitsmarkt und den nicht diesen Veränderungen angepassten Hilfesystemen unseres Sozialstaates. Nach wie vor sind Kinder, die in einem Ein-Eltern-Haushalt leben, Familien mit mehreren Kindern und Familien mit Migrationshintergrund mehr von Armut betroffen. Insbesondere die Ein- Eltern-Haushalte und Familien mit Migrationshintergrund haben in den vergangen Jahren stark zugenommen. Für Ein-Eltern-Familien ist es nach wie vor schwierig, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Hälfte an Alleinziehenden keinen Unterhalt von dem getrennt lebenden Partner oder Partnerin erhält.

Wie könnte Ihrer Ansicht nach kurzfristig, unbürokratisch und zielgerichtet geholfen werden?

Es besteht daher die Notwendigkeit eines zielgerichteten Entlastungspakets. Die bisherigen Maßnahmen haben dazu geführt, dass der absolute Entlastungseffekt mit dem Einkommen steigt. Die zielgerichteten Maßnahmen müssen auf die finanziellen Bedürfnisse der prekären Haushalte ausgerichtet sein. Alle anderen Einmalleistungen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Was halten Sie von einer weiteren Erhöhung des Kindergeldes?

Auch eine Erhöhung des Kindergeldes würde wieder nach dem Gießkannenprinzip erfolgen. Viele bedürftige Familien wissen nichts von ihrem Anspruch auf einen Kinderzuschlag. Gerade was diesen betrifft, fehlt die Transparenz in der Bevölkerung. Es wäre sinnvoll, dezentrale und stadtteilbezogene Anlaufstellen anzubieten, die beraten und an weitere Stellen vermitteln können. Es sollte mehr in den Bildungsbereich investiert werden. Gerade Kinder und Jugendliche aus armen Verhältnissen sollten in ihrer Bildung gezielt unterstützt werden. Eine Partizipation von betroffenen Kindern und Jugendlichen in die politischen Entscheidungen wäre sinnvoll. 

Wie stehen Sie zu der für 2025 angekündigten „Kindergrundsicherung“? Wir begrüßen die von der Bundesregierung für 2025 geplante Kindergrundsicherung. Als Mitglied des Bündnisses Kindergrundsicherung befürworten wir die Einführung einer einfachen und unbürokratischen Kindergrundsicherung. Nun gilt es, die genaue Ausgestaltung abzuwarten.

Interview: Arnt Finkenberg

 

Hintergrund: 

Kinderschutzbund - So können Sie helfen!

Der Orts- und Kreisverband Trier setzt sich für die Rechte aller Kinder und Jugendlichen auf gewaltfreies Aufwachsen und Beteiligung ein.Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen zusätzliche Förder- und Schutzrechte. Diese sind unter anderem:

* das Recht auf kindgerechte Entwicklung

* das Recht auf gute Versorgung

* das Recht auf Schutz vor seelischer und körperlicher Gewalt

* das Recht auf Mitbestimmung

Der Verband setzt sich für eine kinderfreundliche und gesunde Umwelt ein. Im Mittelpunkt stehen die Aktivitäten, Eltern und Kinder vorbeugend im Umgang mit Krisen zu stärken.

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