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War Frust über persönliche Lebensumstände Motiv für Tat?

Die Staatsanwaltschaft Trier hat Anklage gegen den 51-Jährigen Mann erhoben, der die Amokfahrt durch die Fußgängerzone von Trier am 1. Dezember 2020 begangen haben soll. Gegen den Angeschuldigten besteht nach Auffassung der Staatsanwaltschaft der hinreichende Tatverdacht des Mordes in fünf Fällen, des versuchten Mordes in 18 weiteren Fällen, davon in 14 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher bzw. schwerer Körperverletzung sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.
Die Anteilnahme der Trierer Bevölkerung für die Opfer der Amokfahrt war riesig. Sie verwandelten die Tatorte in der Fußgängerzone in ein Lichtermeer. Foto: Archiv/Neumann

Die Anteilnahme der Trierer Bevölkerung für die Opfer der Amokfahrt war riesig. Sie verwandelten die Tatorte in der Fußgängerzone in ein Lichtermeer. Foto: Archiv/Neumann

Nach dem Ergebnis der von der Kriminaldirektion Trier und der eingesetzten Sonderkommision durchgeführten umfangreichen Ermittlungen hält die Staatsanwaltschaft folgenden Geschehensablauf für wahrscheinlich: Am Tattag fuhr der Angeschuldigte mit seinem PKW, einem schweren SUV der Marke Land Rover, in die Innenstadt von Trier. Gegen 13:45 Uhr fuhr er aus Richtung Basilika durch die Konstantinstraße und bog an der Einmündung zur Brotstraße nach rechts in die Fußgängerzone ab. Dort beschleunigte er sein Fahrzeug stark und fuhr mit hoher Geschwindigkeit über die Brotstraße, die Grabenstraße, den Hauptmarkt und die Simeonstraße durch die gesamte Fußgängerzone, bis er an der Porta Nigra nach rechts in die Christophstraße abbog. Dort hielt er sein Fahrzeug nach wenigen hundert Metern an, stieg aus und rauchte eine Zigarette, bevor er wenig später von der Polizei festgenommen wurde. Heimtückische Morde Auf seinem Weg durch die Fußgängerzone steuerte er in der Absicht, möglichst viele Menschen zu töten oder zumindest zu verletzen, wahllos und gezielt auf Passanten zu, die arglos in der Innenstadt unterwegs waren und sich keiner Gefahr versahen. Sein Fahrzeug setzte er dabei nach Auffassung der Staatsanwaltschaft als gemeingefährliches Mittel ein. Die Staatsanwaltschaft geht daher davon aus, dass das dem Angeschuldigten zur Last gelegte Verhalten die Mordmerkmale der Heimtücke und der Begehung der Tat mit gemeingefährlichen Mitteln erfüllt. Bei der Amokfahrt tötete er 5 Menschen. Der erste tödliche Zusammenstoß ereignete sich in der Brotstraße. Getötet wurde eine 73-jährige Seniorin, die mit Ihrem Ehemann unterwegs war. Die Eheleute wurden nacheinander frontal von dem PKW erfasst. Beide erlitten schwerste Verletzungen. Die Frau verstarb. Der Mann befindet sich bis heute in intensivmedizinischer Behandlung. Familie hatte keine Chance Tödlich verletzt wurden weiter ein 45-jähriger Familienvater aus Trier und seine 9 Wochen alte Tochter. Sie waren zusammen mit der Ehefrau und Mutter des Babys und dem eineinhalb Jahre alten Sohn aus der Grabenstraße kommend in Höhe des Hauptmarkts zu einem Einkaufsbummel unterwegs, als sie von dem Fahrzeug erfasst wurden. Dieses raste mit hoher Geschwindigkeit von hinten auf die Eheleute und die sich in einem Kinderwagen befindenden Kinder zu, so dass die Familie keine Möglichkeit hatte, dem Fahrzeug auszuweichen. Die Mutter und das eineinhalb-jährige Kind, die den Angriff überlebten, erlitten erhebliche Verletzungen. Noch auf dem Hauptmarkt kam es zu einem weiteren tödlichen Zusammenstoß. Eine 52-jährige Lehrerin fuhr aus Richtung Porta Nigra kommend mit dem Fahrrad in den Bereich des Hauptmarkts. Der Angeschuldigte fuhr mit seinem Fahrzeug gezielt auf das Tatopfer zu und erfasste die Frau frontal. Sie erlitt durch den Aufprall schwerste Verletzungen, an denen sie wenig später in einem Krankenhaus verstarb. Das fünfte Todesopfer, eine 25 Jahre alte Studentin, wurde in der Simeonstraße in Höhe des Kaufhauses Karstadt hinterrücks von der Front des auf sie zufahrenden Fahrzeugs erfasst, durch die Luft geschleudert und so schwer verletzt, dass sie sofort tot war. Mehrere Überlebende bis heute in klinischer Behandlung Die Personen, die den Angriff überlebten, erlitten erhebliche Verletzungen unterschiedlicher Schwere. Mehrere Personen wurden so schwer verletzt, dass sie bis heute klinisch behandelt werden müssen. Eine 14-jährige Jugendliche, die in der Grabenstraße von dem Fahrzeug des Angeschuldigten erfasst wurde, befindet sich aufgrund der erlittenen Verletzungen immer noch in stationärer Reha-Behandlung. Ein 63-jähriger Mann liegt seit der Tat in einer Art Wachkoma in einer Klinik. Viele der Opfer sind zudem psychisch traumatisiert. Der Angeschuldigte war bei der Tat alkoholisiert. Seine Blutalkoholkonzentration betrug 1.12 Prozent. Keine nachvollziehbare Erklärung In den polizeilichen Vernehmungen hat er zu dem eigentlichen Tatgeschehen nur rudimentäre und in Teilen widersprüchliche Angaben gemacht. Er hat im Wesentlichen behauptet, an Einzelheiten des Tatgeschehens keine Erinnerung zu haben. Zum Motiv für die Tat hat er bislang keine nachvollziehbare Erklärung abgegeben. Nach vorläufiger Bewertung der bisherigen Erkenntnisse geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Angeschuldigte aus persönlichen Motiven handelte. Er war zuletzt alleinstehend, arbeitslos, ohne festen Wohnsitz und offenbar durch seine persönlichen Lebensumstände frustriert. Nach vorläufiger Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen leidet er zudem an einer Psychose. In seinen Vernehmungen hat er realitätsfern anmutende Angaben über Geschehnisse gemacht, die ihm in seinem bisherigen Leben widerfahren seien, und durch die er sich von seiner Außenwelt benachteiligt sieht. Vor diesem Hintergrund entwickelte er eine angespannte Gefühlslage, die nach vorläufiger Einschätzung der Staatsanwaltschaft als Auslöser für die Tat in Betracht kommt. Eine abschließende Bewertung ist insoweit allerdings erst nach Durchführung der Hauptverhandlung möglich. Anhaltspunkte für mögliche andere Tatmotive, etwa ideologischer oder politischer Art, haben sich bei den Ermittlungen nicht ergeben. Verhandlungstermin steht noch nicht fest Das Landgericht Trier hat nunmehr über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden. Ein Termin zur Hauptverhandlung ist noch nicht bestimmt. In der Hauptverhandlung wird das Landgericht auch über die Frage der Schuldfähigkeit des Angeschuldigten bzw. etwaige Einschränkungen seiner Schuldfähigkeit zu befinden haben. Das hierzu im Auftrag gegebene Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen liegt noch nicht vor. Anhaltspunkte für eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeschuldigten haben sich jedoch nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im Rahmen der bisherigen Ermittlungen nicht ergeben. Der Angeschuldigte, der bisher nicht vorbestraft ist, befindet sich seit seiner Festnahme weiterhin aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Trier in Untersuchungshaft.


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