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Ein Plädoyer für offene Binnengrenzen

Seit mehreren Wochen ist der deutsch-luxemburgische Grenzverkehr stark eingeschränkt. Der WochenSpiegel hat die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden kontaktiert und lässt sie an dieser Stelle exklusiv zu Wort kommen.

 "Als Verantwortliche der Luxemburger und Deutschen Grenzgemeinden, sind wir enttäuscht vom aktuellen Umgang mit dem europäischen Gedanken", schreiben die Bürgermeister von 13 Obermosel-Gemeinden auf deutscher und luxemburgischer Seite in ihrem gemeinsamen Brief an die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Saarland. Tatsächlich ist es an der Grenze zu Luxemburg ruhig geworden. Auf der Moselbrücke bei Grevenmacher kontrolliert die Bundespolizei auf deutscher Seite. Die Beamten sind unter anderem mit Maschinenpistolen ausgerüstet, die deutlich sichtbar am Körper getragen werden.

Schwer bewaffnete Polizisten schrecken ab

Genau diesen Punkt kritisiert Leon Gloden, Bürgermeister der Gemeinde Grevenmacher: "Angesichts der Grenzsperrung zu Luxemburg, welche seitens der deutschen Regierung ausgesprochen wurde, kam es in den ersten Tagen zu massivem Stau an den Grenzstellen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Grenzgänger von deutschen Polizeibeamten akribisch kontrolliert wurden. Viele Menschen empfanden dies als sehr beängstigend, da es sich hierbei um eine bewaffnete Grenzkontrolle handelte. Bedauernswert ist, dass in dieser doch schweren Zeit das Schengener Abkommen in weite Ferne gerückt ist." Er und seine Amtskollegen fordern, "dass die Grenzen wieder geöffnet und die Grenzkontrollen aufgehoben werden. Bewaffnete Grenzkontrollen, sowie das Vorzeigen von Passierscheinen wird von vielen Bürgern als belastend und befremdlich empfunden. Solche Vorgehensweisen wurden zuletzt im Zweiten Weltkrieg angewandt und sind demnach absolut fehl am Platz."

"Einseitige Grenzschließung kein schönes Zeichen"

Ähnlich sieht es Max Hengel, Bürgermeister von Wormeldingen: "In den letzten 75 Jahren wurden Freundschaften aufgebaut, zweimal ein Brückenfest gefeiert, um diese Freundschaft offen zu zeigen. Da ist diese einseitige Grenzschließung kein schönes Zeichen.« Die EU müsse sich generell überlegen, wie sie sich in Zukunft besser aufstellt, um solche Krisen gemeinsam zu meistern. Ansonsten müsse sie sich zurecht den Vorwurf gefallen lassen, dass sie wider dem Gründungsgedanken eine reine Wirtschaftsunion sei. »Eine Schließung der Grenze und Grenzkontrollen gehören nicht zum Merkmal einer Union«, findet Elmar Schömann, Bürgermeister von Wincheringen. "Die Einreise nach Luxemburg ist frei, das Vertrauen der Luxemburger in die deutschen Nachbarn ist wohl größer als umgekehrt."

Unverständnis in Schengen

Auch im symbolträchtigen Dreiländereck stößt die einseitig eingeführte Grenzkontrolle auf Unverständnis: "Gerade in Schengen, wo vor 35 Jahren, am 14. Juni, das Schenger Abkommen unterschrieben wurde, fällt es besonders schwer zu akzeptieren, dass die Grenzen teilweise geschlossen sind", sagt der Schengener Bürgermeister Michel Gloden. "Als Bürgermeister von Schengen ist es mir aber auch wichtig zu betonen, dass wir sehr gute freundschaftliche Beziehungen mit unseren Nachbargemeinden pflegen, die stellen wir natürlich nicht in Frage, auch nicht durch temporäre teilweise Grenzschliessungen", so Gloden weiter.

"In der Grenzregion wird Europa gelebt"

"Ist es nicht auch die Aufgabe von Europa, in solchen Zeiten zusammen zu halten und gemeinsam Lösungen zu finden", fragt Thomas Michael Thelen, Ortsbürgermeister von Wasserliesch. Ihn verwundert es, dass die Grenzsituationen in der EU nicht einheitlich gehandhabt werden. "Hier wird Europa gelebt und das Wechseln der Länder zum Wohnen, Leben, Arbeiten, Einkaufen und zum Besuch der Familien ist selbstverständlich – auf beiden Seiten", sagt er. In Wasserliesch seien in erster Linie auch die vielen Pendler betroffen, die in hoher Zahl die Fähre in Oberbillig nutzen, um Anschluss an den Luxemburger ÖPNV zu haben. Mit kurzen Wegen war es zwischenzeitlich auch in Remich vorbei. Zwar ist die Grenzbrücke für Berufspendler wieder geöffnet – an grenzenlosen Verkehr ist dennoch nicht zu denken. Denn: "Die tägliche Staubildung zu den Hauptüberfahrtsperioden bleibt ein großes Problem. Nur eine komplette Öffnung des Grenzübergangs ohne direkte Kontrollen auf der Brücke kann alle Menschen, die in unserer Region zusammenleben, zufriedenstellen", so Sitz.

Alltägliches kaum noch möglich

Vieles Alltägliches ist unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum noch möglich. "Einkaufen, Kultur- und Freizeitangebote finden wechselseitig statt. Je nach Angebot und persönlichem Interesse werden diese als selbstverständlich wahrgenommen und empfunden. All diese Aktivitäten sind durch die Grenzschließung nicht mehr möglich", sagt Florian Wagner, Bürgermeister von Palzem. "Dabei geht es nicht nur darum, Tanken zu fahren, sondern auch um Einkäufe oder Arztbesuche. Familien sind durch die Grenzkontrollen getrennt worden", berichtet der Nitteler Bürgermeister Peter Leo Hein. Er fordert die Ministerpräsidentin Malu Dreyer auf, sich für die Abschaffung der Grenzkontrollen einzusetzen. "Luxemburger und Deutsche haben gleichwertige hygienische Standards", so Hein. JK


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