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Andrea Fischer

Love-Scamming: Betrüger schlafen nie...

Region. (SK) Es ist eine regelrechte Industrie. Mit falschen Profilen erobern Betrüger einsame Menschen im Internet und locken ihnen so das Geld aus der Tasche.

Erst die Herzen, dann das Geld. Love-Scamming heißt die perfide Methode, einsamen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Erst die Herzen, dann das Geld. Love-Scamming heißt die perfide Methode, einsamen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Bild: Adobe Stockfoto

Ihren Ursprung hat die Geschichte am Rande einer Pressekonferenz, als ich mich mit einer Kollegin darüber austauschte, wer von uns beiden schon wieder dubiose Freundschaftsanfragen von amerikanischen Generälen, Chefärzten sowie Geschäftsmännern erhalten hat. Wir haben uns beide gefragt, wer wohl hinter den meist sehr gut aussehenden Männern steckt, die uns ihr Herz ausschütten wollen und als Witwer oder geschiedener, alleine erziehender Vater bzw. Kriegsveteran getarnt auf der Suche nach »Mrs. right« sind?

Der Mann, in den ich mich während meines Experiments verlieben sollte, nannte sich Carl Johnson und hatte sechs FreundInnen aus meinem Facebook-Freundeskreis, darunter sogar drei ziemlich prominente Facebook-User, die den ominösen Carl allerdings gar wirklich nicht kannten – wie sich nach Monaten herausstellen sollte. In Wahrheit zeigte sein Profilbild auf Facebook einen ziemlich bekannten, russischen Oligarchen (Aktionär Mordaschow mit zwei Bodyguards – spiegelverkehrt zum Original aus dem russischen Fernsehen kopiert), der im März 2022 durch die EU-Sanktionen im Rahmen des Ukrainekrieges auch in Deutschland an Bekanntheit erlangen sollte und mit Sicherheit nichts davon wusste, dass man ihn dazu benutzte, deutsche Frauen zu Straftaten zu verleiten und / oder auszunehmen.

"Carl Johnson" und seine Schreibercombo vom Golf von Mexico

Doch der Reihe nach: Nachdem ich mir unter den potentiellen Aspiranten für meine Recherche „Carl Johnson“ für mein Experiment ausgesucht hatte, nervte Carl und seine „Schreibercombo“ (es mussten mehrere gewesen sein, denn die Nachrichten, die seit November 2021 bis zum 8. März 2022 fast täglich mehrmals rund um die Uhr in meinem FB-Messenger angekommen waren, variierten: mal relativ gutes Englisch oder dann auch eher „Pidgin-English“ und der Ton wechselte mal in schleimig-liebevoll bis bedrohlich-frech – frei nach dem Motto „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“). Einer von „Carls“ Lieblingsfloskeln morgens gegen 6 Uhr oder abends kurz nach 23 Uhr lautete wie folgt: „Sunshine how are you doing hope you are fine and your evening is going well now…“ Grammatik und Interpunktion waren in den Nachrichten nie so „seine“ Stärke, aber man bekommt ja Übung mit der Zeit. Zahlreiche Avancen erhielt ich seit November 2021 von meinem „Fast-Verlobten“, der angeblich in Chicago wohnte, aus Cold Spring stammte und geschieden war. Er gab vor einen kleinen Sohn zu haben, den er Weihnachten 2021 unbedingt sehen wollte und mit dem er gemeinsam mit mir eine neue Familie in Deutschland im Frühjahr 2022 gründen wollte, nachdem er hier ein Haus für uns gekauft hätte von dem Geld, das er während seiner Zeit auf einer Bohrinsel im Golf von Mexiko verdiente. Er lebte während unseres ganzen Schriftverkehrs angeblich mit seiner Mannschaft – er in Funktion eines leitenden Managers – auf der Bohrinsel im Golf von Mexiko, die er im Frühjahr 2022 verlassen wollte, um mit mir den Neustart zu wagen.

Erste Geldforderungen nach angeblichem Unfall

Nur dumm, dass es bis dahin im Dezember – kurz vor Weihnachten - einen angeblichen Unfall mit mehreren Verletzten seiner Mannschaft auf der Bohrinsel gab und er dringend Geld brauchte, um zwei seiner Männer per Helikopter in ein Krankenhaus fliegen zu lassen. Tja, und dann kam er auch, der erste Versuch, sich Geld zu erbetteln. Ich, die „erfolgreiche Journalistin“ – wie er mehrfach in seinen Nachrichten schrieb – sollte ihm doch endlich drei bis fünf „gift cards“ (Telefonkarten mit einem jeweiligen Geschenkwert von 100,- EUR pro Stück) besorgen und ihm schnellstmöglich die entsprechenden Codes übermitteln, damit er erstens Hilfe für seine Männer rufen und zweitens seinen Sohn zu Weihnachten anrufen könnte, weil durch den Brand auch alle sonstigen Kommunikationsmöglichkeiten auf der Bohrinsel erschöpft wären. Tja, da musste ich mal eines draufsetzen und dem „armen“ Carl erzählen, dass ich keine solchen Geschenkkarten kennen würde und auch derzeit wegen des Coronalockdowns in Deutschland so gut wie keine Aufträge hätte und nicht einfach wildfremden Männern Geldgeschenke nach Übersee beamen könnte. Daraufhin wurden „Carl“ und seine Combo richtig rege; denn sie wähnten sich bei „Darling“, „Queen“, „Angel“ und „Sunshine“ an einer potentiellen Geldquelle, die es nur richtig anzuzapfen bedurfte.

Da ich allerdings wusste, dass „Carl & Co.“ mich weder heiraten noch lieben, sondern nur ausbeuten wollten, betrieb ich das „Spiel“ nun meinerseits in allen Facetten. Nachdem ich die Coronageschichte aufgetischt hatte, folgte die Story vom defekten Auto auf dem Land, so dass ich keine „gift cards“ kaufen fahren konnte. Seitens „Carl-Team“ erfolgte nun eine aufmerksame Adresse mit Ladenadressen in Trier und in Luxemburg, wo ich solche Geschenkkarten ganz leicht besorgen könnte. Dass dann auch noch meine Kreditkarte verloren ging, und einer meiner wichtigsten Kunden in der Coronahochphase nicht zahlen konnte, ja – das war dem lieben Carl doch wirklich fast zu viel. Nachdem er ein paar Tage geschmollt hatte und danach nur noch Morgen – und Abendgrüße mit der Frage nach meinem Befinden abspulte, kam er auf eine neue, geniale Idee. Ich sollte ab Mitte Februar 2022 sein – auf der Bohrinsel - sauer verdientes Geld von seinem Konto auf mein Konto nach Deutschland transferieren, damit wir uns dann endlich treffen und unsere gemeinsame Zukunft angehen könnten. Das sei alles angeblich legal, koste mich auch keinerlei Steuern und ich könne ihn bald endlich in meine Arme schließen und meine leckeren Gerichte, die ich immer auf Facebook poste, nur für ihn kochen.

995.000 Dollar sollten auf mein Konto...

Klar, dass ich mein „Honey“ auch hier mal wieder hinhalten musste, bis er mir am 8. März – nachdem er mir schon mehrfach seinen Accountzugang einer amerikanischen Online-Bank geschickt hatte, so dass ich sein Guthaben von 995.000 $ auf seinem Konto sehen konnte – sauer drohte, die Beziehung zu beenden, wenn ich nicht unverzüglich mit seiner Hilfe den Geldtransfer auf mein Konto erledigen würde…. Das war dann auch der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, das nervige „Katz- und Mausspiel“ aus Sicherheitsgründen – nach Rücksprache mit Kriminalhauptkommissarin Waltraud Brenk von der Kriminalinspektion Trier / Polizeipräsidium – endgültig zu beenden, ehe mich „Pseudo-Carl“ und seine Genossen mit einem Hackerangriff und ähnlichem doch noch schädigen könnten. Inzwischen ist das Kapitel für mich Geschichte, und ich bin heilfroh nachts oder am frühen Morgen nicht mehr mit irgendwelchen Liebesschwüren oder wüsten Beschimpfungen ob meines egoistischen Verhaltens geweckt zu werden, aber leider geht es nicht allen Frauen und Männern so, die mit der „Love-Scamming-Mafia“ in Berühung gekommen sind.

Liebesbetrug oder „Love-Scamming“ - die moderne Form des Heiratsschwindels

Der Ablauf folgt stets demselben Muster. Erst versichern die Betrüger ihre Liebe, überschütten ihre Opfer mit Komplimenten, fantasieren von einer gemeinsamen Zukunft. Um Vertrauen aufzubauen, geben sie vor, sich um ihr Gegenüber zu sorgen, fragen häufig, ob und was es heute gegessen habe. Nach einigen Wochen kommen die ersten Geldwünsche dank der verrücktesten Geschichten. Meist gibt der Mann vor, unverschuldet in eine Notlage geraten zu sein. Die Betrüger kontaktieren ihre potentiellen Opfer, über einschlägige Datingseiten, aber durchaus auch auf Facebook oder neuerdings via Instagram. Sie versuchen es in Kennenlernforen und auf ganz normalen Internetseiten, auf denen zum Beispiel Kochtipps ausgetauscht werden. Meist bitten sie zügig darum, das Gespräch zu Whatsapp oder Google Hangout zu verlagern oder verlangen private e-Mailadressen. Die Fotos der gutaussehenden Männer kopieren die Betrüger ohne Skrupel von den Onlineprofilen realer, nichtsahnender Personen. Darüber, wie man sich vor „Love-Scamming“ schützen kann und welche Fälle davon schon in unserer Region aufgetaucht sind, habe ich im Zuge meiner Recherche mit dem ehemaligen Oberstaatsanwalt Thomas Albrecht, mit Kriminalhaupt-kommissarin Waltraud Brenk und Renate Schröder, Leiterin der Beratungsstelle der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V., gesprochen. Ihre Tipps finden Sie im 2. Teil dieser Story in der 34. KW 2022.


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