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Straßenstrich: "Die Lage ist eindeutig und sehr schlimm"

SPD und Linke wollten in einem gemeinsamen Antrag erreichen, dass der Trierer Straßenstrich sicherer wird. Unterstützung gab es dabei von Sexarbeiterin Nicole Schulze. Mit dem WochenSpiegel hat sie über die Situation in der Ruwerer Straße gesprochen und darüber, was sie sich für Trier wünscht.
Foto: Symbolbild/Microgen/stock.adobe.com

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Keine Mülleimer, keine sanitären Anlagen, zu wenig Licht. Die aktuelle Situation auf dem Strich in Ruwer ist prekär. Worunter leiden Sie und die anderen Frauen am meisten?   Nicole Schulze: "Die Frauen leiden am meisten darunter, dass der Bereich nicht ausreichend beleuchtet ist, es keine sanitären Anlagen gibt und sie sich generell hier einfach nicht sicher fühlen."  Der Antrag von SPD und Linke ist bei der Stadratssitzung von der Mehrheit des Rates in die Ausschüsse verwiesen worden. Wie fühlt sich das für Sie an? "Es fühlt sich nicht gut an, wenn ein Antrag immer wieder diskutiert werden muss! Die Lage ist eindeutig und sehr schlimm. Seit dem 1. Juli 2017 ist das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft, das uns schützen soll. Große Bordell-Betreiber sind dadurch gezwungen ihre Läden umzubauen und beispielsweise Notknöpfe in den Räumen anzubringen. Die Straße wird aber vergessen. Diskutieren hilft nicht, handeln wäre besser."  Bemängelt wird immer wieder der Sicherheitsaspekt auf dem Straßenstrich in Ruwer und auch auf dem Parkplatz an der Bitburger Straße. Was müsste getan werden, damit sich die Frauen dort sicher fühlen können?   "Ich persönlich bin ein Befürworter der Verrichtungsboxen, wie es sich beispielsweise in Köln gibt. Es wäre schön, wenn man auch in Trier so etwas für die Frauen bauen würde. Es bietet Sicherheit, Hygiene, Kontrolle und Beratung."  Was wünschen Sie sich von Seiten der Politik? "Ich würde es mir wünschen, dass die Politik endlich handelt und nicht Jahre diskutiert."  Der Beruf der Prostituieren ist immer noch stark stigmatisiert. Was müsste passieren, damit sich das ändert?   "Es müsste mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Es wäre außerdem schön, wenn sich die Leute einfach mal mit uns unterhalten würden, anstatt direkt zu urteilen. Wir Frauen sind offen.  Ich setzte mich dafür ein, dass die Gesellschaft durch Veranstaltungen mit uns in Berührung kommt und die Angst vor uns verliert. Kriminell oder gefährlich – wie es oft dargestellt wird – sind wir nämlich nicht. Ein tolles Projekt, das ich auch persönlich begleite, ist der Strich Code Move mit der Künstlerin Kerstin Schulz aus Hannover. Ich wünsche mir solche Aktionen auch in Trier."  Für viele ist es schwer nachvollziehbar, warum Frauen (und auch Männer) freiwillig in die Prostitution gehen. Was macht für Sie den Reiz an diesem Beruf aus?   "Ich habe damals aus Geldnot angefangen und mich bewusst für die Sexarbeit und auch bewusst für die Straße entschieden. Nun bin ich schon 16 Jahre mit dabei und es erfüllt mich immer noch sehr! Vor zwei Jahren habe ich auch die Sexualassistenz mit in mein Tätigkeitsfeld genommen. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, ihre Sexualität leben zu können. Wenn meine Kunden glücklich sind, dann bin ich es auch. Es ist ein schönes Gefühl, Liebe und Wärme für eine bestimmte Zeit geben zu können. Die Menschen vereinsamen immer mehr und sehnen sich danach."   Vor kurzem hat in Trier die landesweite dritte Beratungsstelle für Sexarbeiter eröffnet. Was halten Sie von diesem Angebot?   "Die neue Beratungsstelle A.R.A. in Trier finde ich sehr gut, da sie sich für selbstbestimmte Sexarbeit einsetzt. Ich arbeite ehrenamtlich mit der Beratungsstelle zusammen und bin sehr froh, dass sie mich unterstützen bei meinem Einsatz für mehr Sicherheit auf dem Straßenstrich. Ich hoffe, dass wir zusammen noch viel erreichen können."  

Über Nicole Schulze 

  • Alter: 40 Jahre 
  • Seit 2004 bis Sexarbeit tätig 
  • Von 2004 bis 2014 in Köln auf der Geestemünder Straße
  • Seit 2014 in Trier ihrer Heimat im Wohnmobil tätig (Standorte Mitfahrer-Parkplatz Mertesdorf und Mehringer Höhe sowie Ruwer Straße Strich und Parkplatz B51) 
  • Seit Oktober 2019 Vorstandsmitglied im Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD)
Interview: Svenja Pees


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