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Johannes Mager

"Hallo Papa, ich brauche Geld"

Oberstadtfeld. Unbekannte wollten Wilhelm Schwerdorf mit WhatsApp-Nachrichten um viel Geld bringen. Er durchschaute die Masche und will nun andere warnen.
Mit seinem Fall möchte Wilhelm Schwerdorf andere Menschen warnen, wachsam zu sein.

Mit seinem Fall möchte Wilhelm Schwerdorf andere Menschen warnen, wachsam zu sein.

Bild: Mager

"Hallo Papa, das ist meine neue Handynummer. kannst du diese Nummer speichern?" Als Wilhelm Schwerdorf aus Oberstadtfeld diese WhatsApp-Nachricht von einer unbekannten Handynummer auf seinem Handy liest, wird er direkt skeptisch. Es stimmt zwar, er hat einen 47-jährigen und einen 37-jährigen Sohn. Aber er ist sich sofort sicher, dass diese Nachricht nicht von ihnen stammt. Die zahlreichen Rechtschreibfehler in den folgenden Nachrichten festigen seine Vermutung. 45 Minuten später folgt die nächste Nachricht: "Bist du zuhause" Wilhelm Schwerdorf geht auf die Nachricht und kurz darauf offenbart der Schreiber, um was es ihm geht: Er will Geld. Sein Handy sei kaputt, behauptet der vermeintliche "Sohn", deshalb könne er das Geld nicht selbst überweisen. Einen Laptop und ein neues Smartphone habe er sich gekauft. 2.100 Euro habe das gekostet. "Einer meiner Söhne arbeitet auf dem Bau, da könnte das tatsächlich sein, dass das Handy kaputt geht", sagt der 71-Jährige. Doch zwei Anrufe auf die ihm bekannten Telefonnummern seiner Söhne bestätigen ihm: Von ihnen hat diese Nachrichten niemand geschickt. Wilhelm Schwerdorf hat nun das Jagdfieber gepackt. Er geht weiter auf die Nachrichten ein, bis der Täter ihm die Kontodaten mitteilt. Und natürlich ruft er gleichzeitig die Polizei in Daun an. Angeblich, so behauptet Schwerdorf nun in Absprache mit dem Polizeibeamten dem Täter gegenüber, gebe es Schwierigkeiten bei der Bank. Aber er könne das Geld bei ihm in bar abholen. Er soll ihm bitte mitteilen, wann er komme. "Man hätte dann einen Polizisten zu dem Täter schicken können, denn der weiß ja nicht, wie ich aussehe", sagt Wilhelm Schwerdorf. Doch der Täter lässt nichts mehr von sich hören.

"Bei dieser Masche kommt kein Täter vorbei. Wenn man das vorschlägt, kommen Ausreden oder keine Reaktion mehr", erklärt Polizeihauptkommissar Sven Lehrke, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion (PI) Daun, im Gespräch mit dem WochenSpiegel. Seit Anfang des Jahres haben die Dauner Beamten in ihrem Dienstbereich 70 Fälle registriert, in denen Betrüger versuchten, über gefälschte WhatsApp Geld zu ergaunern. "Der Anteil der Fälle, bei dem das gelang, lag bei allerhöchstens zehn Prozent", berichtet Lehrke: "Und auch in diesen Fällen haben die Opfer das Geld durch schnelles Informieren der Polizei und der Bank fast immer wiederbekommen." Wer diese Betrugsnachrichten erhält, ist Zufall. "Zufallsgeneratoren verschicken die Nachricht zu Tausenden an automatisch generierte Nummern. Viele dieser Nummern gibt es gar nicht. Wenn aber eine Nummer existiert, erhalten die Betrüger von dem Programm eine Nachricht und sie beginnen mit dem Opfer zu schreiben", erklärt Lehrke.

Außerdem wurden der PI Daun seit Jahresbeginn rund 150 Fälle sogenannter "Schockanrufe" gemeldet. Hierbei rufen die Betrüger ihre Opfer unter verschiedenen Vorwänden an, um mit ihnen eine Geldübergabe zu verabreden. So gibt es zum Beispiel die angebliche Enkelin, die einen schweren Unfall verursacht hat und nun dringend Geld braucht. Manchmal übernimmt während des Gesprächs ein "Polizist" das Telefon, um dem Märchen Glaubwürdigkeit zu verleihen. Und es gibt den "Polizisten", der am Telefon vor Einbrüchen in der Nachbarschaft warnt und nun vorbeikommen will, um Geld oder Wertsachen der Angerufenen "in Sicherheit" zu bringen. Bei beiden Arten der Betrugsversuche rät Lehrke, sich genauso zu verhalten soll wie Wilhelm Schwerdorf - nämlich umgehend die bekannten Handy- und Festnetznummern der Kinder (oder Enkel) anzurufen. Wie bei ihm werde dadurch ein Großteil der Betrugsversuche bereits erkannt. Danach könne man beim WhatsApp-Trick in aller Ruhe die Polizei aufsuchen und den Beamten den Nachrichtenverlauf zeigen. Die vermeintlichen Handynummern der Täter seien für die polizeilichen Ermittlungen zwar weniger hilfreich, weil sie nicht "echt" sind. Denn bei diesem sogenannten "Caller ID Spoofing" werden dem Empfänger Fantasie-Telefonnummern angezeigt, die automatisch durch ein Programm erstellt werden, erklärt Lehre.

Die Kontodaten jedoch können den Ermittlern helfen. "Das Geld muss schließlich auf ein echtes Konto fließen", so der Polizeihauptkommissar. Bei den "Schockanrufen" sei bei der Alarmierung der Polizei mehr Eile geboten. Da die Täter vor Ort erscheinen wollen, können Polizei und Opfer ihnen prinzipiell eine Falle stellen. "Es darf dann nicht zu viel Zeit vergehen, damit der Täter nicht merkt, dass die Polizei alarmiert wurde", sagt Lehrke. Aber: Beim ersten Anruf solle man sofort auflegen, denn die Täter seien rhetorisch sehr geschickt. "Meistens rufen sie nochmal an", weiß Lehrke. Sollte man Kinder und Enkel telefonisch nicht erreichen, sei sofort die nächste Polizeiwache oder die 110 anzurufen. "Und keinesfalls unter der Nummer, die die angeblichen Polizisten am Telefon für Rückfragen genannt haben", warnt Lehrke. Die Beamten würden die Anrufer dann beraten. Auch Wilhelm Schwerdorf warnt: "Man sollte sich auf jeden Fall rückversichern, bevor man planlos überweist. Selbst wenn die Kinder im Urlaub sind, habe ich ihre Adresse und versuche es erst einmal dort."


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