Die Unsicherheit, welche Blüten der Datenschutz treibt, ist nach der Gesetzesnovelle im Mai nach wie vor groß. Jüngstes Szenario: Vermieter müssen Klingelschilder entfernen. Entwarnung!
Der Friseur ist unsicher, ob er seine Kunden aus dem Wartebereich noch mit Namen aufrufen darf, die Bürger sind genervt über den Wust an Formularen, den sie bei Ärzten, Behörden und Unternehmen neu ausfüllen müssen. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) regelt seit dem 25. Mai dieses Jahres den gemeinsamen Datenschutzrahmen in der Europäischen Union und hat viel Papierkram mit sich gebracht. Aber auch mehr Verbraucherrechte hinsichtlich Auskunft, Löschung und Berichtigung ihrer persönlichen Daten.
Müssen Klingelschilder entfernt werden?
Mit der Novelle des Datenschutzrechtes blieb vieles beim Alten, es gab aber auch zahlreiche neue datenschutzrechtliche Vorgaben, deren Erfüllung allein schon hinsichtlich des immens erhöhten Bußgeldrahmens korrekter Beachtung bedarf. Wie groß die Verunsicherung seitdem ist, zeigt nur ein Beispiel: Vergangene Woche hat der Verein Haus & Grund, die größte deutsche Interessengemeinschaft von privaten Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümern, öffentlich die Frage aufgeworfen, ob es Vermietern noch erlaubt sei, Klingelschilder mit Namen anzubringen. Der wichtige Eigentümerverband empfahl seinen 900.000 Mitgliedern, die Namenschilder durch Nummern auszutauschen, sonst könnten hohe Bußgelder drohen.
Anwalt Manuel Simon aus Bitburg hält das für unnötig. "Unserer rechtlichen Einschätzung nach ist eine derartige Fallkonstellation wie das Anbringen von Namensschildern an Türklingeln oder Briefkästen nicht von der DSGVO erfasst, so dass Vermieter nach unserer Auffassung auch nicht mit einem Bußgeld rechnen müssen." Die DSGVO gelte nur für die elektronische Verarbeitung oder Speicherung von Daten. Soziale Dienste verstoßen gegen "Kopplungsverbot"So fällt auch die Einschätzung der Bundesdatenschutzbeauftragten aus: "Die Aufforderung zur Entfernung sämtlicher Klingelschilder ist unnötig", nahm sie nun Stellung. Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland begrüßt diese Klarstellung.
Das Geschäft mit den Daten: "Kopplungen" mit sozialen Netwerken und Online-Diensten
"Die Verunsicherung bei den Vermietern war durch unterschiedliche Auslegungen des geltenden EU-Rechts entstanden", so Kai Warnecke, Verbandspräsident von Haus & Grund. Derlei Rechtsunsicherheit gibt es noch in anderen Fällen, wie die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz ausführt. Knackpunkte seien weiterhin so genannte eigentlich verbotene aber praktizierte "Kopplungen". Gemeint ist, dass Dienste wie WhatsApp, Google, Instagram und Facebook ihre Leistungen nur dann zur Verfügung stellen, wenn man dafür seine Daten hergibt, erläutert Rechtsreferent Christian Gollner. Höchst fraglich sei auch, dass ein bekanntes Geldinstitut seinen Kunden vorausgefüllte Formulare zugeschickt habe, in denen die Einwilligungserklärung zum Erhalt von Werbung bereits vorangekreuzt war.
Mehr Informationen zum Datenschutz, Rechtstipps und Beschwerdeformular finden Verbraucher online www.datenschutz.rlp.de
Hintergrundinformation
Die DSGVO ersetzt in der EU die nationalen Datenschutzgesetze und schafft einheitliche Standards für mehr als 500 Millionen EU-Bürgern Konkret stärkt das neue Datenschutzrecht unter anderem die Betroffenenrechte, beispielsweise durch erhöhte Anforderungen an die Transparenz und umfangreichere Informations- und Benachrichtigungspflichten der Unternehmen und Behördenn
Neue Rechte wie der Anspruch auf Datenportabilität oder das "Recht auf Vergessenwerden" erhöhen den Einfluss des Einzelnen auf die digitale Verarbeitung seiner Daten.
Weitere Infos: https://deinedatendeinerechte.de; https://ec.europa.eu/info/law/law-topic/data-protection/reform/rights-citizens_de
Tipp
Verträge werden online abgeschlossen und digital hinterlegt, Konten online geführt und Zugangsdaten online verwaltet. Viele Menschen sind in sozialen Netzwerken aktiv. Wie kommen Hinterbliebene nach dem Tod eines Angehörigen damit klar? Antworten gibt die Beratungsstelle Trier, Fleischstr. 77, am Freitag, 16. November, 11 bis 12.30 Uhr.