Thomas Förster

Radelnd für Kinder im Krieg unterwegs

Simmerath. Judith Urban geht als Botschafterin für kids smile e.V. auf eine extreme Spendentour - und radelt von Simmerath an die Grenze zur Ukraine.
Judith Urban plant eine extreme Langstreckentour für Kinder in Not, rechts Ralf Pauli, Vorsitzender des Vereins kids smile e.V.

Judith Urban plant eine extreme Langstreckentour für Kinder in Not, rechts Ralf Pauli, Vorsitzender des Vereins kids smile e.V.

Bild: Elke Bourgeret

Simmerath/KoSice (EB). Im September hat Judith Urban Urlaub. Sie plant eine Reise mit ihrem Rennrad. Das klingt für die Langstreckenfahrerin soweit nicht spektakulär, denn sie legt gern große Distanzen per Rad zurück; zuletzt 416 km beim legendären 24 Stunden-Rennen »Rad am Ring«.

Ihr neues Vorhaben aber ist kein Rennen, sondern eine extrem schwere Radreise von ihrem Wohnort Simmerath nach Kosice an der Grenze der Slowakei zur Ukraine. Touristisch ist diese Fahrt nicht, sondern vielmehr ist es eine Tour, mit der Judith Urban auf den Aachener Verein kids smile e.V. aufmerksam machen will. Zur Mitfinanzierung des anstehenden Hilfsprojekts, ein Kindermitmachzirkus in unmittelbarer Kriegsnähe, sucht sie Sponsoren für jeden gefahrenen Kilometer.

Ralf Pauli ist Vorsitzender des Vereins kids smile e.V., den er zusammen mit Freunden vor zwei Jahren gegründet hat, um aktiv und ohne Umwege über große Organisationen Kindern in und aus Kriegs- und Krisengebieten zu helfen. Anlass waren die Meldungen und Bilder des Massakers von Butscha nahe Kiew, wo nach dem Abzug der russischen Armee mehrere hundert Leichen gefunden wurden; in großer Überzahl Zivilisten und in ebenso großer Überzahl misshandelt und gefoltert.

Es sind die Kinder, die hier und an anderen Kriegsorten Unvorstellbares erlebt haben, die kids smile e.V. besonders am Herzen liegen. »Wir können Kinder- und Jugendarbeit«, sagt Ralf Pauli und zitiert einen Satz des ukrainischen Fußballspielers Andrij Schewtschenko: »Es reicht nicht aus, ein Kind aus dem Krieg herauszunehmen, wir müssen auch den Krieg aus den Kindern herausholen«. Als erfahrener Pädagoge weiß der Jugendpfleger, dass viel Freude auch Belastung trägt und so sorgt kids smile e.V. dafür, dass Kinder, die Gräuel, Tod und Trennung erfahren, durch die Teilnahme am Kindermitmachzirkus Soluna eine nachhaltige Auszeit von den Grausamkeiten und neue Perspektiven erleben können.

Das konkret anstehende Projekt ist die Durchführung eines solchen Zirkusprojekts sowohl vor als auch hinter der ukrainischen Grenze im Oktober. Es erfasst die beiden Stationen Košice an der slowakisch-ukrainischen Grenze und Uschhorod auf der anderen Seite. Dort allerdings könne das große Zirkuszelt nicht aufgebaut werden, da es mit seinem gelb-roten Dach eine perfekte Zielscheibe für einen russischen Angriff abgäbe, erklärt Ralf Pauli. Dieser Satz liest sich schnell, seine Bedeutung sackt nur langsam.

Wie beim jährlich durchgeführten Kindermitmachzirkus Soluna in unserer Region, werden auch dort Helfer geschult und angeleitet, um sie zu befähigen, in Zukunft solche oder ähnliche Projekte selbstständig durchführen können. Eine von ihnen ist Lehrerin Maria Feilová aus der Nähe von Kosice, die mit ihrer gesamten Familie an einem Soluna Projekt bei Heidelberg teilgenommen hat, um sich aktiv einen direkten Eindruck von Inhalt und Organisation zu machen.

In Judith Urban hat der Verein eine wertvolle »Möglichmacherin« gefunden. Am 21. September startet sie in Simmerath mit knapp 20 Kilogramm Gepäck auf dem Fahrrad und einem Trinkrucksack auf dem Rücken, um die ersten 250 km zurückzulegen. Isomatte, Zelt und Schlafsack sind ihre spartanischen Begleiter. Sie plant, die 1400 km in sieben bis zehn Tagen zu erradeln. Nach den beiden ersten Tagen ist sie allein unterwegs. Auf ein Begleitfahrzeug verzichtet sie völlig. Sie fährt einmal quer von West nach Ost über fast 15.000 Höhenmeter. Es gibt kein Sightseeing in Bayreuth oder Prag, denn sie hat ein anderes Ziel vor Augen. Beim Zirkusprojekt für die Nordeifeler Schulkinder hat sie gesehen, wie fröhlich und täglich gestärkter die Kinder die Zirkuswoche erleben. Und nun will sie dazu beitragen, dass Kinder, die in Notsituationen geraten sind, deren Leben vom einen auf den anderen Tag aus den Fugen geraten ist, wieder lachen können. Dass sie stark und selbstbewusst werden, um nicht an ihren herausfordernden Lebensumständen zu zerbrechen, dass sie spüren, dass sie gemeinsam mit anderen Großes erreichen können und dass sie zu Stars in der Manege werden. Das ist ihr Motivation genug, die kommenden Strapazen auf sich zu nehmen. Angst, die extreme körperliche Anstrengung der langen Distanz nicht meistern zu können, hat sie nicht. Da zitiert sie Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf: »Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.«

1500 km Distanz können aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Für die auseinander gerissenen Familien ist die Entfernung zur Heimat immens und unüberbrückbar. Und doch ist der Krieg mitten in Europa. »Er ist so nah, dass ich mit dem Fahrrad hinfahren kann«, schließt Judith Urban.

kids smile e. V. unterstützt Kinder und Jugendliche in und aus Krisen- und Katastrophengebieten. In Zusammenarbeit mit dem Kindermitmachzirkus Soluna finden im Oktober zwei Projekte im Grenzgebiet Slowakei/Ukraine statt.

Sponsoren können das Projekt mit einem Euro pro gefahrenem Kilometer für eine selbst gewählte Streckenlänge unterstützen. Spendenkonto: kids smile e. V. GLS Gemeinschaftsbank, IBAN DE64 4306 0967 1291 4889 00, Verwendungszweck: »Fahrradtour«

Die 1.500 Kilometer lange Radtour kann man begleiten auf dem Instagram.Kanal Judith.urban_3.2.bike, auf EifelDrei.TV oder unter www.kids-smile.org


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