Freier Handel ohne freie Informationen?

Vier Buchstaben sind in aller Munde: TTIP heißt das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA, das Ende dieses Jahres in trockenen Tüchern sein soll. Jetzt dürfen Bundestagsabgeordnete im Berliner Wirtschaftsministerium Einsicht in die Dokumente nehmen. Was bedeutet TTIP für die Region?

Keine Kopien oder Fotos, kein Handy, keine eigenes Papier, keine eigenen Stifte, maximal zwei Stunden Zeit unter den Augen eines Aufsehers, anschließend Schweigegebot über das Gesehene: Was strenger klingt als die Vorschriften für den Besuch in einem Gefängnis-Hochsicherheitstrakt, ist der einzige Weg für Volksvertreter zu erfahren, was künftig in Sachen Freihandel auf das Volk zukommt. Seit 2013 wird verhandelt. Mangelnde Transparenz ist eines der wesentlichen Defizite, welche die Gegner des geplanten Abkommens der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) kritisieren. Auch in der Region Trier mit Eifel und Moselland wird das TTIP diskutiert. Die Meinungen sind sehr unterschiedlich, von klarer Befürwortung über Ratlosigkeit bis hin zu eindeutiger Ablehnung.

Die Befürworter:

Die IHK Trier schreibt, dass Normen, Prüfungsverfahren und Zollvorschriften den Handel mit den USA bislang kompliziert machen. Manchmal sei sogar eine zweigleisige Produktion notwendig. "Vom LKW-Anhänger bis hin zu Software und Hardware für Elektrotechnik oder Mess- und Regeltechnik sind Lieferungen in die USA mit erheblichem Zusatzaufwand verbunden. Mit einem gegenseitigen Übereinkommen könnten diese Kosten minimiert werden", erläutert Susanne Martin, Referentin International der IHK Trier. Auch die Ernährungs- und Weinwirtschaft der Region erhoffe sich von TTIP vereinfachte Registrierungs- und Kontrollverfahren bei der Einfuhr. "Hinzu kommt als wesentlicher Punkt der verbesserte Schutz geografischer Herkunftsangaben wie etwa ,Mosel' auch in den USA", konkretisiert IHK-Geschäftsführer Albrecht Ehses einen der Verhandlungspunkte. Der Sägenhersteller Stihl, in der Eifel vertreten mit seinem Weinsheimer Werk, erwartet vom TTIP zusätzliche Impulse für seinen Absatz. Die Entlastung von Zöllen, weniger Bürokratie oder die Harmonisierung von Produktvorschriften sind aus Sicht von Unternehmenssprecher Stefan Caspari klare Vorteile. Allerdings: Das TTIP zwischen der EU und den USA könne nur ein Zwischenschritt sein auf dem Weg zu einer weiteren Liberalisierung des weltumspannenden Handels. Auch der Gerolsteiner Brunnen äußert sich positiv: "Wir erhoffen uns von dem Freihandelsabkommen, dass die sehr hohen deutschen und europäischen Qualitätsstandards Berücksichtigung in den USA finden und dadurch zum Beispiel aufwändige Doppelzertifizierungen in Zukunft entfallen", so Axel Dahm, Vorsitzender der Geschäftsführung. Bauernverbandspräsident Michael Horper äußert sich ebenfalls klar positiv zum TTIP. "Um es gleich vorweg zu sagen: Das Handelsabkommen zwischen den USA und der EU wird kommen. Es kann und sollte nicht verhindert werden." Aus seiner Sicht ist eine pauschale Ablehnung des TTIP "unbegründet, gefährlich und blauäugig, um nicht zu sagen: unverantwortlich". Er ist überzeugt, dass Regionen, die sich derartigen Handelsabkommen verschließen, ins Hintertreffen geraten. "Eine solche Entwicklung würde letztlich unserer Landwirtschaft schaden." Horper begründet sein Ja zum TTIP auch mit einer besonderen Verantwortung der Europäer für die Ernährung der zunehmenden Weltbevölkerung. "Handel ist grundsätzlich keine Einbahnstraße. Ziel aller Beteiligten ist es, über internationale Handelsabkommen den gegenseitigen Wohlstand zu verbessern und den Handel mit Gütern zu erleichtern." Vor diesem Hintergrund sehe er im TTIP "langfristig große Chancen, unsere Standards in andere Staaten zu 'exportieren'". Europäische Kontrollen sollen so auch in den USA anerkannt werden. Auch erwartet Horper vom Freihandelsabkommen ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und damit rund eine Million neuer Arbeitsplätze in Europa.

Die Skeptiker und Unentschiedenen:

Für den Handel mit Käsespezialitäten teilt auch die internationale Großmolkerei Arla den Optimismus, wie Pressesprecher Wolfgang Rommel sagt. "In dem Segment ist der US-Markt für uns sehr wichtig und das TTIP dürfte Erleichterungen bringen. Aber ob die H-Milch-Produkte aus dem Standort Pronsfeld auf dem gesättigten amerikanischen Milchmarkt eine Chance haben, sei dahingestellt. Wir haben uns damit noch nicht befasst." Ausdrücklich ambivalent wertet die Handwerkskammer das Abkommen. Matthias Schwalbach, Abteilungsleiter Wirtschaftsförderung, ist von insgesamt positiven Effekten nur mit einem großen Aber überzeugt: "Im Handwerk darf die Meisterpflicht als Garant für Qualität und Verbraucherschutz durch TTIP nicht infrage gestellt werden. Nur wenn wir äußerst wachsam sind, präzise arbeiten und konsequent die europäischen Positionen vertreten, kann das Abkommen tatsächlich die Erträge bringen, die es verspricht." Eine echte TTIP-Begeisterung regt sich bei anderen international aufgestellten Unternehmen der Eifel nicht: Grohmann Engineering aus Prüm will zum Thema keine Stellung nehmen. Goldsaat, in der Abteistadt Maschinen- und Anlagenbauer für die Landwirtschaft, sieht den "heiklen" US-Markt für sich nicht als attraktive Chance. Die Firma Börner in Landscheid, Hersteller von auch in den USA stark vertriebenen Küchenhelfern, vertraut auf deutsche Qualität, aber nicht auf das TTIP: "Da wäre viel mehr Transparenz notwendig. Wie soll ich wissen, was es uns bringt oder nicht, wenn die Inhalte und Details nicht öffentlich diskutiert werden?", fragt Geschäftsführer Wolfgang Elsen. Auch die Bitburger Braugruppe bedauert, das TTIP gar nicht bewerten zu können, weil man die Inhalte nicht kenne. Ob es mehr Absatz oder im Gegenteil mehr Konkurrenz, Kostendruck und schlechtere Standards gibt, erschließt sich vielen Betrieben nicht.

Die Gegner:

Klar TTIP-kritisch ist der kommunale Versorger KNE (Kommunale Netze Eifel AöR) aufgestellt. Vor allem die bislang öffentlich getragene Wasserversorgung, erscheint als Knackpunkt. Denn es sei nicht auszuschließen, dass dieser Bereich - entgegen einer Beteuerung der EU-Kommission - ebenfalls unter das TTIP fällt und somit privatisiert wird. Monika Hau vom KNE betont: "Eine Einbeziehung der Wasserversorgung in die Liberalisierung hätte fatale Folgen, es sind deutlich negative Auswirkungen zu befürchten." Insbesondere bei der Wasserqualität und dem Wasserpreis seien sie zu erwarten. "Durch wieder zugelassene Herbizide sind indirekte negative Beeinflussungen des Rohstoffs Grundwasser zu befürchten. Ebenso sehen wir die Gefahr, dass kostenintensive Qualitätskontrollen beim Nahrungsmittel Nummer eins nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt werden." Auch das Kostendeckungsgebot der bislang öffentlichen Wasserversorgung, wobei Überschüsse an die Entgeltpflichtigen ausgeglichen werden müssen, werde durch TTIP zu Gunsten der Gewinnorientierung privater Unternehmen aufgegeben. Hau nennt das Beispiel Paris: "1985 verkaufte die Stadt die Wasserversorgung an private Unternehmen, in der Folge stieg der Wasserpreis um mehr als das Doppelte und die Wasserqualität nahm auf Grund mangelhafter Anlagenwartung stetig ab." Seit 2010 ist die Pariser Wasserversorgung wieder in Händen der Stadt. Ebenfalls als unmissverständlicher TTIP-Gegner äußert sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Deren Mitglied Nordert Worm aus Gerolstein warnt: "Das TTIP wird das Aus für viele Höfe bedeuten. Denn der Wettbewerbsdruck wird sich weiter deutlich verschärfen." Er erwartet, dass die Erzeugerpreise angesichts der niedrigeren US-Standards und der hohen Exportförderung für amerikanische Agrarindustrie nochmals um bis zu dreißig Prozent sinken. Er vergleicht konkret: Eine US-Turbokuh liefere im Schnitt mehr als hundert Liter Milch pro Tag, eine vergleichsweise artgerechter gehaltene deutsche Kuh vierzig Liter. "Da haben in Europa nur noch Riesenhöfe eine Chance, nicht mehr die mittelständischen oder kleinen der Eifel." ako Foto: Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft IESM/pixelio


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