Homeschooling geht stark an die Nerven
Erst treffen Bund und Länder gemeinsame Beschlüsse, dann macht doch ein Land nach dem anderen sein eigenes Ding. Auch Rheinland-Pfalz geht wieder einen Sonderweg. Derzeit gilt, wie bei den Bund-Länder-Beratungen am 19. Januar festgelegt, dass der Fernunterricht bis 14. Februar verlängert wird. Allerdings erklärte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, dass Grundschüler ab dem 1. Februar in geteilten Klassen im Wechselunterricht in ihre Schulen zurückkehren. Ab dem 15. Februar sollten dann die Klassenstufen 5 bis 13 in den Wechselunterricht starten. Am Donnerstag verwarf Hubig die Entscheidung dann wieder, nachdem in einer Kita im benachbarten Baden-Württemberg Coronavirus-Mutationen festgestellt worden waren.
Auch ohne dieses Hin und Her und alle Unklarheiten haben es Schüler derzeit nicht leicht, sich im Fernunterricht zu organisieren, weil es keine einheitliche Struktur bei der Aufgabenvergabe gibt. Lehrer stellen zu unterschiedlichen Zeiten Arbeitsaufträge ins Netz und verlangen die Lösungen zu unterschiedlichen Terminen zurück.
Die Technik ist allerdings noch immer die größte Herausforderung beim Fernunterricht: Videokonferenzsysteme funktionieren nicht reibungslos, zudem hat Informatik als Schulfach Seltenheitswert, somit sind Schüler auf die Beherrschung des Computers nicht vorbreitet. In der Regel verfügen Schulen nicht mal über zuständige IT-Fachleute, die Schülern und Lehrern bei technischen Fragen helfen könnten. Doch der Fernunterricht stößt sogar noch früher auf eine grundlegendere Problematik: Es hapert nach wie vor an der Ausstattung der Schüler mit Endgeräten und vielfach an ausreichender Internetanbindung, zumal, wenn in einem Haushalt gleich mehrere Personen zeitgleich online gehen.
Es klingt schon nach echter Verzweiflung, was Lehrer, Eltern und Schüler in Gesprächen mit dem WochenSpiegel loswerden. Viele Eltern fühlen sich überfordert, neben dem Beruf zusätzlich die Rolle als Pädagoge und EDV-Berater zu erfüllen. Eine aktuelle Umfrage unter Eltern in Rheinland-Pfalz im Auftrag des Landeselternbeirats (LEB) hat ergeben, dass 81 Prozent der Umfrageteilnehmer der Meinung sind, dass ihre Kinder in den Schulen zu wenig auf den Umgang mit Computern vorbereitet werden.
Besonders hoch ist die Belastung durch Homeschooling für Eltern mit mehreren Kindern, die unterschiedliche Klassenstufen und Schulen besuchen und sich die Familie für Schule und Homeoffice die Arbeitsplätze und Geräte teilen muss.
Landeselternsprecher fordert schnelles und unbürokratisches Handeln
»Es fehlen so viele Endgeräte, die schon im Sommer angekündigt und versprochen waren«, kritisiert eine Grundschullehrerin von der Mosel. »Der Frust ist groß«, bestätigt Regional- und Landeselternsprecher Reiner Schladweiler. Täglich erhält er mehr als 100 E-Mails, in denen Eltern ihrem Ärger Luft machen. Sie vermissen Feedback der Lehrer zu den erledigten Aufträgen, fluchen über zusammenbrechende Internetverbindungen und beklagen fehlende technische Ausstattung.Bedarf für schnelles und unbürokratisches Handeln seitens der Politik sieht der Elternvertreter auch bei den Präventionsmaßnahmen für den Infektionsschutz an Schulen, damit der Präsenzunterricht weitergehen kann. Dazu zählt er eine entzerrte Schülerbeförderung im ÖPNV, mobile Raumluftfilteranlagen für jeden Klassenraum und seitliche Plexiglaswände zwischen den Schülern. »Einen dritten Lockdown können wir uns finanziell und mental nicht mehr leisten«, untermauert er die Dringlichkeit.
Um mit der derzeitigen Situation besser zurechtzukommen, empfiehlt Marco Reh, Konrektor an der Otto-Hahn-Realschule plus in Bitburg, seinen Schülern eine klare Tagesstruktur: »Morgens zu einer festen Zeit aufstehen, frühstücken, dann ist Schreibtisch angesagt. Günstig ist, mit einem Mitschüler zusammenzuarbeiten, um sich gegenseitig zu unterstützen.« Er freut sich auf Mitte Februar. »Dann muss Schluss sein«, sagt er ganz klar. Der Computer könne den direkten Kontakt mit der Klasse nicht ersetzen. Sybille Schönhofen