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»Ich bin derjenige, der wehtun muss«

Es sind fast 100 Tage, die Oliver Emmer als neuer Direktor das Amtsgericht in Prüm leitet. Zeit für eine Bilanz und die Frage, wer ist der Mann in der schwarzen Robe?
Der Neue: Oliver Emmer leitet seit März das Prümer Amtsgericht. Foto: S. Schönhofen

Der Neue: Oliver Emmer leitet seit März das Prümer Amtsgericht. Foto: S. Schönhofen

Auf seinem Schreibtisch türmen sich Stapel von Akten neben einer Dose mit der Aufschrift »Nervennahrung«. Gummibärchen. Dabei wirkt der beleibte, große Mann mit dem Vollbart ganz und gar nicht, als sei er leicht aus der Ruhe zu bringen. Im Gespräch bestätigt sich der Eindruck: »Bestrafen ist mein Job« klingt nicht, als fiele es ihm schwer. Einige seiner Richter-Kollegen hätten daran mehr zu beißen als er, sagt der 50-Jährige.    Oliver Emmer hat im März sein berufliches Ziel, Direktor eines der acht Amtsgerichte im Bereich des Landgerichts Trier zu werden, erreicht. Seine Chance kam, weil seine Vorgängerin Alexandra Meerfeld ans Oberlandesgericht in Koblenz gewechselt ist. In Prüm teilt sich Oliver Emmer mit zwei weiteren Richtern zweieinhalb Stellen. »Ich muss das Rad hier nicht neu erfinden«, bilanziert Emmer, dass seine Vorgängerin ihm ein gut funktionierendes Gericht hinterlassen hat. Emmer will dafür sorgen, dass das so bleibt. Sein Ziel sei es, das Amtsgericht in Prüm zu erhalten, allem Verschlankungswillen der Landesregierung in Bezug auf die Verwaltung zum Trotz. Zwar sei in dieser Legislaturperiode nicht zu befürchten, dass das Gericht wegrationiert werde. Aber Emmer sieht die Debatte kommen, da der dünnbesiedelte Eifelkreis mit zwei Amtsgerichten im Auge  manchen Betrachters als luxuriös ausgestattet gelten mag.   Scheut keine Härte Neben der Verwaltung des Amtsgerichts ist Oliver Emmer in Prüm für Familienrecht und Strafverfahren zuständig. In seiner Hand liegen auch Bußgeldentscheidungen und Nachlassregelungen. »Wenn es geboten ist«, scheut Oliver Emmer keine Härte. Und das sei es beispielsweise, wenn ein Jugendlicher  innerhalb eines halben Jahres dreimal mit einem getunten Mofa erwischt werde. Da spricht der Richter schon mal eine Woche Jugendarrest aus. Das läutere. Mancher Jugendliche habe es ihm sogar gedankt. Wie der, den Emmer nach einem Jahr »im Bau« als Tramper zufällig wiedertraf. »Er sagte, dass der Schuss vor den Bug ihn wieder auf den rechtschaffenen Weg zurückgebracht hat.« Keine Milde haben bei ihm auch Autofahrer zu erwarten, die der fahrlässigen Tötung angeklagt sind, weil sie betrunken Menschen totgefahren haben. So geschehen in Graach. Für Emmer gab es da nur eins: Haft ohne Bewährung. Was nicht heißt, dass er nicht auch milde urteilt. Eins seiner ersten Verfahren in Prüm gehört in diese Kategorie. »Das war tragisch. Eine Verkettung ganz unglücklicher Umstände«, erzählt er. Den Angeklagten verurteilte er wegen fahrlässiger Tötung – durch ihn stürzte eine Radfahrerin bei Bleialf und erlag ihren Verletzungen – zu einer Geldstrafe. Eine Berufsbetrügerin, die die Barmherzigkeit eines Pfarrers von der Mosel ausnutzte und ihn um sein gesamtes Vermögen brachte, erhielt wiederum eine Haftstrafe  ohne Bewährung. Das sind nur einige der Fälle, an die sich Emmer intensiv erinnert. Viele andere Fälle von Sorgerechts- und Umgangsstreitigkeiten, »in denen mir nur die Kinder leidgetan haben, auf deren Rücken die Eltern ihre gescheiterte Beziehung  ausgetragen haben«, gehören auch dazu.   Internetkriminalität wächst »Wir haben bei Gericht in der Regel mit sozialen Verwerfungen zu tun, die auch für den Juristen wenig Freude bieten«, drückt sich Emmer, der sonst ein Freund klarer Worte ist, diplomatisch aus.  »Zerstörte Ehen, erziehungsunfähige Eltern, Schläger und Betrüger« zählt er zu seiner »Stammkundschaft«. Bei diesem Beruf kommt ihm eine Eigenschaft zugute: »Für mich ist ganz wichtig, all diese negativen Erlebnisse nicht mit nach Hause zu nehmen.« Abzuschalten gelinge ihm einfach aufgrund seines Naturells gut. Vielleicht mit Unterstützung durch Volleyballtraining, Lesen und Wandern in der Freizeit.  Was er in Bezug auf die Kriminalitätsentwicklung im Prümer Raum feststellt, ist eine wachsende Zahl an Verfahren im Bereich der Drogenkriminalität.   Das führt er allerdings auf vermehrte Kontrollen nach den Anschlägen von Paris und Belgien zurück. Was allerdings faktisch deutlich zunehme, sei die Internetkriminalität nach dem Schema bestellen und nicht bezahlen, oder zum Verkauf anbieten, Geld kassieren und nichts liefern. Emmers persönliches Fazit nach knapp 100 Tagen in Prüm: »Ich bin sehr gern hier.« bil EXTRA: Oliver Emmer Der neue Direktor des Amtsgerichts Prüm ist in Moers in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen. Seit seinem Jura-Studium und der Referendarzeit lebt er in Trier. Nach dem zweiten Staatsexamen 1995 arbeitete er zunächst in einer Kanzlei in Wittlich, bevor er im März 1996 als Richter an die Zivilkammer des Landgerichts Trier wechselte.  Seine nächste berufliche Station war 1997 das Amtsgericht in Wittlich, es folgte 1999 das Amtsgericht in Daun. Ab März 2000 verbrachte  Oliver Emmer die folgenden 16 Jahre am Amtsgericht in Bernkastel-Kues. Im März wurde er zum Direktor des Prümer Amtsgerichts ernannt. Am 27. Juni wird er offiziell in sein Amt als Direktor der Amtsgerichts Prüm eingeführt. Oliver Emmer ist 50 Jahre alt und lebt mit Staatsanwältin Elke Schmitten und den beiden gemeinsamen Kindern bei Trier.  


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