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Update: "Bis mich jemand hört"

In Bitburg bietet sich derzeit ein ungewohntes Bild: Seit Wochen sitzt ein Mann am Rathaus in der Kälte. Menschen gehen vorbei und manch einer zückt sein Portemonnaie. „Ich will kein Geld, ich bin kein Bettler“, winkt der Mann dann ab. Ihm geht es um etwas anderes: „Ich will mein Recht“.
Ahmad Niknamtavin macht vor dem Bitburger Rathaus auf seine Situation aufmerksam. Um seinen Protest zu untermauern, will er draußen ausharren und hungern. Foto: S. Schönhofen

Ahmad Niknamtavin macht vor dem Bitburger Rathaus auf seine Situation aufmerksam. Um seinen Protest zu untermauern, will er draußen ausharren und hungern. Foto: S. Schönhofen

Deshalb harre er in der Unterführung zwischen den beiden Gebäudeteilen der Stadtverwaltung aus. Seit Wochen habe er nur Milch oder Wasser getrunken, nichts gegessen. Am vergangenen Mittwoch kündigte er an, ab sofort auch auf Flüssigkeit zu verzichten und zudem nachts vor dem Rathaus auszuharren. Hungerstreik und Kälte. Wie lange er das durchalten möchte? „Bis ich umfalle“, sagt er. Wer ist dieser Mann? Sein Name ist Ahmad Niknamtavin. Er ist 58 Jahre alt. Vor 40 Jahren kam er aus dem Iran nach Deutschland, vor 30 Jahren erhielt er einen deutschen Pass. In Bitburg machte er sich selbstständig, eröffnete einen Autohandel in Mötsch und ein Feinkostgeschäft in der Saarstraße. Vor zehn Jahren bescheinigte ihm ein Arzt aus gesundheitlichen Gründen  erwerbsunfähig zu sein. Niknamtavin ist chronisch krank und nimmt dreimal am Tag Morphium gegen seine Schmerzen. Er lebt von Sozialhilfe. Diese sei nicht immer korrekt ausgezahlt worden, genauso wie seine Rente, sagt er und deshalb protestiere er.  Auf mehreren Plakaten, die er neben seiner Isomatte an der Rathauswand angeklebt hat, schildert er seine Situation und Beweggründe. Und er fordert juristischen Beistand, aber niemand wolle ihn vertreten, sagt er. Niknamtavin fühlt sich von Behörden betrogen, von Anwälten verlassen und belogen und von seinem Vermieter menschenunwürdig behandelt. Ja, Niknamtavin ist keineswegs obdachlos, auch wenn es so aussieht, da er draußen auf der Isomatte Quartier bezogen hat. Das ist Teil seines Protests. Normalerweise lebt er in einer 30 Quadratmeter Wohnung in der Fußgängerzone. Aus einem anwaltlichen Schreiben an den Vermieter geht allerdings hervor, dass diese sich in einem miserablen Zustand befindet. Noch ein Anklagepunkt, der in Niknamtavins Augen für eines spricht: „Ich werde nicht wie ein Deutscher behandelt.“ Nun hat der Vermieter Niknamtavin wegen Mietrückständen gekündigt. Niknamtavin will das Geld nachzahlen und bleiben. Doch vorerst wird er draußen schlafen, „bis mich jemand hört“, sagt er. Eine Stellungnahme des Bürgermeisters dazu steht noch aus.  bil Update: Am Freitag, 4. Dezember, hat Ahmad Niknamtavin sein Lager vor dem Rathaus abgebaut. Es sei ihm gesundheitlich zu schlecht gegangen, sagt er auf Nachfrage. Am Montag wurde er aus einer Arztpraxis mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht, das er jedoch am gleichen Tag auf eigenen Wunsch wieder verließ. Es habe keinen Zweck, den Streik fortzusetzen, so Niknamtavin. Dreieinhalb Wochen hat er von 8.30 bis 18 Uhr vor dem Rathaus gegessen. Die letzten drei Tage seines Protestes hat er zudem komplett auf Nahrung verzichtet und vor der Verwaltung übernachtet. bil


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