

Sie kommen mit und ohne Eltern, sie flüchten vor Hunger, Elend, Krieg und Bürgerkrieg - und sie sind schulpflichtig. Wir wollten wissen, wie Wittlichs Schulen mit der Herausforderung umgehen, Kinder ohne Deutschkenntnisse unterrichten zu müssen. Aref stammt aus Aleppo. Wohlhabende Menschen auf der ganzen Welt waschen sich mit Seife aus dieser syrischen Stadt. Nur: Leben kann dort schon lange keiner mehr; kein Stein ist auf dem anderen geblieben. Aref hatte Glück im Unglück. Seine Familie ging bereits vor vier Jahren nach Dubai, dort lernte er ordentliches Englisch. Jetzt besucht er die achte Klasse der Clara Viebig-Realschule plus. Hier exisiert schon lange eines der drei Sprachförderzentren im Kreis. 24 Nationalitäten Ein 43-köpfiges Kollegium einschließlich Sprachförderlehrerin Carola Kirk kümmert sich um derzeit 80 Kinder mit 24 unterschiedlichen Nationalitäten. »Die meisten kommen aus Syrien, Albanien, Kosovo, Mazedonien und Rumänien«, berichtet Schulleiterin Rosemarie Bölinger. In sechs unterschiedlichen Niveaus werden diese Jugendlichen unterrichtet, wie es dem individuellen Sprachvermögen entspricht; hinzu kommt ein Alphabetisierungskurs. In Klasse 5 ist eine Sprachförderklasse eingerichtet, die »5 S«, oft lernen hier Geschwisterkinder, denn auch die Gefühlswelt dieser oft traumatisierten Kinder muss beachtet, gewürdigt und behutsam behandelt werden. Das tut man an der Clara Viebig-Schule. Paul berichtet strahlend davon. Völlig ohne Fremdsprachenkenntnisse kam er aus Rumänien. Heute kann er fließend deutsch und rumänisch, lernt französisch und englisch. »Ich möchte weiterlernen«, sagt er, »Abitur machen und Rechtsanwalt werden.« Weder die Schulleiterin, noch Stellvertreterin Melanie Schmitt oder Sprachförderlehrerin Carola Kirk zweifeln daran, dass er das schaffen wird. Auch die Iranerin Nilu hat große Pläne. Wie Aref stieg sie erst nach den Sommerferien ins deutsche Schulwesen ein. Seit sieben Monaten lebt sie hier, hat als Mathe-Ass zuhause die zehnte Klasse erfolgreich beendet und wiederholt sie in Wittlich. Ein Mathe-Ass ist sie auch hier. Und sie möchte bleiben, Mathematik oder Physik studieren und in der Freiheit sein, die sie aus dem Iran nicht kennt und die sie dort niemals leben dürfte. Bei ihrer Bildungs-, Beziehungs- und Integrationsarbeit sind Lehrerinnen und Lehrer auf die aktive Hilfe von Schülern angewiesen, die schon länger in Deutschland leben und Muttersprachler sind. »Unser Übersetzerpool funktioniert hervorragend«, berichtet Schmitt. Besonders komme dies bei den Einführungsveranstaltungen zum Tragen. Schüler helfen mit Da sitzen Kinder und Eltern aus aller Herren Länder und lauschen dem, was die Lehrer vortragen, übersetzt von älteren Schülern, die stolz darauf sind, dass sie so dringend gebraucht werden. Das sei vielleicht das Schönste an der ganzen Situation und an der »5 S«, die tagesaktuell neun Nationen beheimatet. »Man kann ihnen Geduld beibringen«, erzählt Kirk, die mittwochs vier Stunden dort unterrichtet. Ohne Geduld gehe überhaupt nichts. An der Clara Viebig-Schule steht man in ständigem Kontakt mit dem Mehrgenerationenhaus als Koordinationsstelle für Asylbegehrende. So auch an den Grundschulen Georg-Meistermann GMG und Friedrichstraße. Einen Deutsch-Intensiv-Kurs bietet die GMG (in Kürze auch die Friedrichstraße) an: Pro Tag stehen drei Stunden zur Verfügung für derzeit 15 Kinder, die überwiegend vom Balkan und aus Syrien stammen. Schulleiterin Bettina Hens: »Wir haben bereits im vergangenen Jahr Studientage mit diesem Schwerpunkt organisiert.« Unterstützung erfuhr sie durch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und das Projekt »Inklusion macht Schule«. Keine Flüchtlingskinder lernen in der Kurfürst Balduin Realschule plus. Die Grundschulen Bombogen und Wengerohr wurden bisher nur von einzelnen nicht-deutschsprachigen Kindern besucht: Beim Spielen, unterstützt von der normalen Hausaufgabenbetreuung und punktuell vom Schulsozialarbeiter, waren sie bisher rasch sowohl sprachlich als auch gesellschaftlich integriert, berichtet Wengerohrs Schulleiterin Brigitte Morrosch. An der BBS wechseln die Flüchtlingszahlen fast täglich. Schulleiter Alfons Schmitz verwies an die ADD, die, darüber sei er froh, den Deutschunterricht zentral koordiniere (s. Infokasten). pug INFO Die ADD teilt mit, dass Runde Tische in allen Landkreisen aufgebaut werden: „Sie dienen vor allem dazu, die Schulen mit den vor Ort mit der Integration Beauftragten und ehrenamtlich Tätigen zu vernetzen. Wir versuchen flächendeckend Deutsch-Intensivkurse vorzuhalten.“ Dafür existiert ein zusätzlicher Stunden-Pool. Die Frage, wie viele Flüchtlingskinder vor Ort schulpflichtig sind, lässt die ADD unbeantwortet. „Leider wissen wir erst, wenn die Kinder in den Schulen angemeldet werden, dass sie da sind. Deshalb ist eine Planung auch schwierig und wir können keine tagesaktuellen Zahlen liefern.“ Bildunterschrift: Geben auch der Beziehungsarbeit breiten Raum: Rosemarie Bölinger, Carola Kirk und Melanie Schmitt (v. links) von der Clara Viebig-Realschule plus Wittlich. Foto: P.Geisbüsch



