Ans andere Ende der Welt zog es in den 50er Jahren viele Euskirchener. Der heute 94-jährige Hans Weiser bildete die Vorhut, als er 1953 nach Australien aufbrach. Ihm folgten eine ganze Reihe weiterer Euskirchener, die »Down Under« ihr Glück fanden.
Der Bäckergeselle Hans Weiser war am 4. Mai 1953 der erste, der sich in Euskirchen mit dem Auswanderungsziel Australien abmeldete. Den 32-Jährigen packte die Abenteuerlust, als er sich als Arbeitskraft in der australischen Landwirtschaft anwerben ließ. Eine Passage von Bremen aus war gebucht, von dort schickte er am 8. Mai 1953 seine „letzten Grüße aus Europa“ an seine Familie.
Damit löste er eine Kettenreaktion in seiner eigenen Familie und in der Euskirchener Nordstadt aus. Insgesamt wanderten Mitte der 1950er Jahre 29 junge Menschen aus Euskirchen nach „Down Under“ ab.
Schummelei
Hans‘ erste Station im neuen Land war das Auffanglager Bonegilla. Rasch merkte man in Australien, dass seine deutsche Bescheinigung, die er sich von einem Bekannten besorgt hatte, Kenntnisse in landwirtschaftlicher Tätigkeit zu besitzen, wohl nicht der Wahrheit entsprach. Man teilte ihm Arbeit als Bäcker in der Kantine des Raketenstartplatzes Woomera im Bundesstaat South Australia, mitten in der Wüste, zu. Von dort führte der berufliche Weg in eine Großbäckerei nach Melbourne.
Der jüngere Bruder Josef Weiser (25 Jahre alt) folgte dem Vorbild seines Bruders ein Jahr später. Am 4. März 1954 wanderte er mit seiner Ehefrau und den beiden kleinen Söhnen (1 und 2 Jahre alt) nach Australien aus. Josef fand ebenfalls Arbeit bei der Großbäckerei in Melbourne und arbeitete sich bis ins Management hoch.
Im Jahr 1955 reisten die Eltern und der jüngste, 19-jährige Bruder der Familie, Willi, den beiden Auswanderern nach. Da die Josefs Ehefrau ihn unerwartet verlassen hatte und die beiden kleinen Kinder betreut werden mussten, beschlossen die Eltern, für eine kurze Zeit nach Melbourne zu reisen, um dort ihren Sohn Josef und die Enkelkinder zu unterstützen. Der Kolonialwarenladen in Euskirchen wurde verkauft, das Haus vermietet. Geplant waren zwei Jahre; es wurden sechs Jahre daraus. Der jüngste Sohn der Familie, Willi, entschloss sich mitzufahren.
Kleines Haus
Die beiden Brüder Hans und Josef hatten von Australien aus Eltern und Bruder als Arbeitskräfte angefordert und vorsorglich bereits ein kleines Haus, das damals knapp 1000 Pfund gekostet hatte, in einem Vorort von Melbourne erstanden. Im April 1955 ging die sechswöchige Schiffsreise von London nach Melbourne los.
Willi erinnert sich genau an das Datum der Ankunft in Melbourne, es war der 15. Mai 1955. Familie Weiser lebte dann zusammen in dem erstandenen Haus im Melbourner Vorort Prahran: Eltern, drei Söhne und die beiden kleinen Kinder von Josef. Schon nach einem Jahr kauften die drei Brüder zusammen im Vorort East Malvern ein großes Haus mit neun Räumen, einem Anbau, einer Garage und einer großen Palme im Vorgarten. Josef und Hans arbeiteten in der Melbourner Großbäckerei mit einigen hundert Beschäftigten, wo auch der kleine Bruder seine erste Arbeit fand. Alle drei Brüder arbeiteten hart und viel, so verdienten sie gutes Geld und stiegen wirtschaftlich und sozial nach oben.
Überraschend heiratete Hans die junge Japanerin Akiko Sato, die sich in das Land verliebt hatte. Die deutsch-japanische Hochzeit in Melbourne fand am 8. April 1961 statt. Im gleichen Jahr kehrten die Eltern nach Euskirchen zurück.
Kauderwelsch
Als Mutter Gertrud einige Jahre später schwer erkrankte, reisten Hans, Akiko und der erst 6 Wochen alte Sohn nach Euskirchen. Mit seiner Ehefrau sprach Hans eine Mischung aus Englisch und Euskirchener Platt, so dass diese ganz verwundert war, als sie beim Besuch in Euskirchen im Fernsehen mit dem Hochdeutschen konfrontiert wurde und diese Sprache nicht gleich mit Deutsch identifizieren konnte.
Knapp ein Jahr blieben sie in Euskirchen bis zum Tod der Mutter. Den Rückweg nach Australien nahmen sie mit der Transsibirischen Eisenbahn bis zur Endstation in Wladiwostok. Von dort ging die Reise mit dem Schiff weiter nach Japan, um Akikos Familie zu besuchen. Nach über einem Jahr kehrten sie zurück nach Melbourne.
Gemeinsam machten sie sich selbstständig und betrieben eine gutgehende Bäckerei und Konditorei in Apollo Bay.
Nur Hinflug...
Der heute 94-jährige Hans Weiser führte ein multikulturelles Leben. Gerne bereiste er die südostasiatischen Länder. Wen wundert es, dass er in der Regel nur mit einem Hinflugticket reiste.