Andrea Fischer

Wie geht es weiter mit der "Alten Schule"?

Kanzem. Zwischen Geschichte und Zukunft: »Soll die Alte Schule Kanzem« erhalten bleiben?“ – das ist die Frage, die am Sonntag, dem 9. November 2025, bei einem Bürgerentscheid auf dem Stimmzettel steht.

Wenn Kanzem am Sonntag, den 9. November, zu den Urnen bittet, geht es um mehr als nur ein altes Gebäude. Es geht um Identität, Geschichte – und die Frage, wie viel Vergangenheit sich eine kleine ´Gemeinde an der Saar leisten kann. Auf dem Stimmzettel steht eine einfache, aber emotional aufgeladene Frage: Soll die Alte Schule Kanzem erhalten bleiben?

Zwischen Abrissbirne und Aufbruchsideen

Mitten im Dorf, gleich neben dem neuen Bürgerhaus, steht sie noch: die Alte Schule. Der Kernbau, auf dessen Dach eine Wetterfahne das Jahr 1880 trägt, ist eines der prägenden Gebäude des Ortes. Jahrzehntelang diente er als Schul- und später als Bürgerhaus, bis die maroden Anbauten 2022 abgerissen wurden, um Platz für den Neubau zu schaffen.

»Das neue Bürgerhaus ist barrierefrei, modern und wirklich schön geworden«, sagt Kanzems Bürgermeisterin Katharina Frey-Treseler. »Aber es war immer klar, dass irgendwann entschieden werden muss, was mit dem alten Teil passiert.«

Sie selbst wolle sich auf keine Seite stellen. »Die Entscheidung liegt jetzt bei allen.« Deswegen hofft sie, dass viele Kanzemer Bürger auch die Möglichkeit nutzen, um am Sonntag zur Wahl zu gehen.

»So etwas hatten wir noch nicht. Ich denke, davon können wir alle lernen, bis hin zur Verbandsgemeindeverwaltung.«

Doch warum geht es eigentlich? Im Mai 2024 fiel die Entscheidung – der damalige Gemeinderat stimmte mehrheitlich für den Abriss. Begründung: Das Haus sei marode, eine Sanierung zu teuer, Unterhaltskosten würden entfallen.

Bürgerinitiative formiert sich

Gegen diese Entscheidung gründeten Helmut Peifer und Martin Steffes eine Bürgerinitiative. Sie betonen, dass das Gebäude nach Begutachtung der Denkmalschutzbehörde nicht marode sei.

»Das Gebäude ist auf keinen Fall marode. Es ist auf jeden Fall erhaltenswert«, sagt Helmut Peifer. Die Initiative kritisiert, dass der Abrissbeschluss frühzeitig Fakten geschaffen habe und alternative Nutzungsmöglichkeiten kaum geprüft wurden. »Es hieß gleich: nicht vermieten, nicht verkaufen, kein Geld investieren – so kann man keine Lösung entwickeln«, erklärt Martin Steffes.

Abrisskosten von rund 240.000 Euro

Auch wirtschaftlich hinterfragen die Initiatoren die Entscheidung. »Der Abriss kostet mindestens 240.000 Euro, das Grundstück ohne Gebäude hat einen Wert von rund 180.000 Euro. Man vernichtet damit Substanz von etwa einer halben Million Euro. Rechnet man das gegeneinander, macht ein Abriss wirtschaftlich keinen Sinn«, sagt Peifer.

Gebäude aus 1880 im Wilheminischen Stil

Die Initiative hat Vorschläge gesammelt: darunter Räume für Kulturveranstaltungen, ein Dorfcafé oder eine Seniorenbetreuung. »Es gibt viele Ideen, aber keine konkrete Lösung, die finanziell durch die Gemeinde getragen werden könnte«, sagt Bürgermeisterin Frey-Treseler. Dennoch sei es positiv, dass die Abstimmung jetzt alle Bürger einbezieht.

Die Initiative betont zudem den historischen Wert: »Nur drei Gebäude prägen den Ort historisch: die Kirche, das Pfarrhaus und die Alte Schule“, sagt Peifer. Auch der örtliche Kulturverein trägt den Namen »Alte Schule«. Ein Abriss würde demnach nicht nur Substanz, sondern auch Identität zerstören.

Der Bürgerentscheid - Briefwahl ist möglich

Am Sonntag zwischen 8 und 18 Uhr können die wahlberechtigten Kanzemerinnen und Kanzemer im Bürgerhaus abstimmen. Wer möchte, kann auch per Briefwahl teilnehmen.»Wenn man schon einmal die Möglichkeit hat, bei einer so wichtigen Frage direkt mitzuentscheiden, sollte man das auch tun«, sagt Bürgermeisterin Frey-Treseler.

Unabhängig vom Ergebnis zeigt die Diskussion bereits Wirkung: Die Alte Schule hat Kanzem bewegt, Gespräche und Ideen angestoßen und einmal mehr deutlich gemacht, dass ein Gebäude weit mehr sein kann als nur Stein und Mörtel. Sie sind Prüfsteine für Gemeinschaft, Geschichte und die Frage, welchen Preis eine Dorfgemeinschaft für ihre Identität bereit ist zu zahlen.

Die Alte Schule auf einen Blick:

Baujahr: 1880
Bedeutung: Historisches Gebäude, Teil der Ortsidentität; Namensgeber für den Kulturverein Alte Schule
Frühere Nutzung: Schule (1.–8. Schuljahr), später Bürgerhaus
Abrissentscheid: Mai 2024, mehrheitlich vom damaligen Gemeinderat beschlossen
Geschätzte Abrisskosten: ca. 240.000 Euro
Grundstückwert ohne Gebäude: ca. 180.000 Euro 
Geschätzte Substanz im Gebäude laut der Erhalt-Befürworter: bis zu 500.000 Euro

 


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