"Er wollte uns den Mund verbieten"
Im Vorfeld des Besuches des Ministerpräsidenten am Dienstag, 14. Oktober, soll der SPD-Landtagsabgeordnete Jens Jenssen Teilnehmende angeschrien und bedroht haben. Darüber beschweren sich diese jetzt schriftlich.
Daun. »Wir wollten den Auftritt des Ministerpräsidenten in keinster Weise stören. Wir hatten nicht einmal Trillerpfeifen dabei, um Lärm zu machen. Vielmehr wollten wir ihn auf unser Problem aufmerksam machen und unser Anliegen vortragen«, sagte Percy Merkelbach am Tag danach gegenüber dem WochenSpiegel. Der Berufsschullehrer (BBS) ist Sprecher der Bürgerinitiative in Trittscheid, die sich für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einsetzt.
Die BI habe im Vorfeld des letzten Stopps auf der Tour »Alexander Schweitzer unterwegs« beschlossen, mit ihren Preisschildern, auf denen die aus ihrer Sicht »existenzbedrohenden« Beiträge von bis zu 80.000 Euro standen, die sie wohl die grundhafte Sanierung der Ortsdurchfahrt kosten wird, sowie zwei Bannern, auf denen sie die Abschaffung der Beiträge fordern, vor das Forum zu gehen. »Eine halbe Stunde vor dem Termin haben wir uns in einiger Entfernung vom Forum auf dem Markplatz, getroffen, als der SPD-Landtagsabgeordnete Jens Jenssen angelaufen kam. Mit hochrotem Kopf, ohne ‚Hallo‘ zu sagen oder sich den Teilnehmenden vorzustellen, hat er uns gleich angeschrien«, berichtet Merkelbach. Er vermutet, dass Jenssen gerade erfahren hatte, dass sich die Bürgerinitiative auf dem Marktplatz sammelt.
Jenssen sei, so berichtet auch das BI-Mitglied Thomas Zapp, »völlig außer sich« gewesen. Er habe gebrüllt, was das denn solle, das sei eine nicht angemeldete und nicht genehmigte Demonstration. Die Teilnehmenden mit den Schildern würden sich strafbar machen. Das sei kein guter Umgang miteinander, dass man ihn nicht über das Kommen informiert habe.
Eine Teilnehmerin lässt wissen, sie habe befürchtet, dass Jenssen handgreiflich werden könnte. Das sei aber zum Glück nicht passiert.
»Gesagt hat er, dass dieses nicht unsere Veranstaltung sei und dass wir in diesem Aufzug dort nichts zu suchen hätten. Wir dürften nur zur Veranstaltung gehen, wenn wir die Preisschilder nicht mitnehmen würden. Sonst würden wir uns strafbar machen. Er wollte uns wohl den Mund verbieten«, so Percy Merkelbach. In seiner Rage habe er auch gesagt, dass er sich unter diesen Umständen nicht dafür einsetze, dass die Gruppe ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten bekommt. Zudem habe Jenssen wiederholt versucht, jemanden anzurufen. Manche der BI-Mitglieder hätten befürchtet, dass er sie bei der Polizei anzeigen wollte. »Wir waren alle völlig geschockt. Es ist Herrn Jenssen gelungen, manche so einzuschüchtern, dass sie Angst hatten, im Gefängnis zu landen, wenn sie das Banner hochhalten«, so Merkelbach. Er habe Jenssen mit ruhiger Stimme mitgeteilt, dass sich die BI bei der Mainzer Staatskanzlei angemeldet habe. Diese habe der BI ein Gespräch anlässlich der Veranstaltung mit Schweitzer zugesagt. »Jeder hat mit seinem Preisschild seine Situation dargestellt. Das ist von der Meinungsfreiheit gedeckt«, so der Sprecher der BI.
Der WochenSpiegel, dessen Redaktion nicht bei dem Treffen auf dem Marktplatz anwesend war, lässt dem SPD-Landtagsabgeordneten Jens Jenssen einen Fragenkatalog per E-Mail zukommen und bittet um Antworten. Darin fragt sie nach, ob es stimmt, dass er zu der Gruppe gelaufen ist, die sich am Marktplatz traf und warum. Ferner sind Fragen formuliert, die Vorwürfe der BI aufgreifen und in denen um Erklärung beziehungsweise um Richtigstellung aus seiner Sicht gebeten wird. Wir fragen, ob er tatsächlich die Teilnehmenden der BI angeschrien hat, und falls ja, warum? Und wir fragen auch, wie er heute dazu steht, als Landtagsabgeodneter, der im März gewählt werden möchte.
Jenssen schickt zwar eine Mail an die Redaktion. Allerdings anwortet er auf keine der zehn gestellten Fragen. Vielmehr schickt er dieses Statement: »Ich bin sehr über die persönlichen Unterstellungen verwundert.« Zu den konkreten Vorwürfen äußert er kein Wort. Und was den Dienstag betrifft nur soviel: Beim gemeinsamen Gespräch mit dem Ministerpräsidenten hätten die Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit gehabt, ihre Situation direkt darzustellen. Das, so betont Merkelbach, sei aber nicht Jenssens Verdienst gewesen.
Noch zum Redaktionsschluss der WochenSpiegel-Ausgabe waren die Teilnehmenden aus Trittscheid von den Worten des Landtagsabgeordneten eingeschüchtert. Sie fürchteten, Jenssen könne sie nachträglich anzeigen, wegen einer nicht angemeldeten Demonstration.
Der WochenSpiegel fragt bei der Polizeiinspektion Daun nach: Haben die Beamten, die am Dienstag 14. Oktober, ebenfalls vor Ort waren, eine strafbare Handlung wahrgenommen? »Nein. Die BI-Leute haben alles richtig gemacht. Jeder hat das Recht, sich friedlich in Deutschland zu versammeln«, sagt Heike Steinmann, Leiterin der PI Daun. Basis sei Artikel 8 des Grundgesetzes. Und wenn der Landtagsabgeodnete doch Anzeige erstattet? »Das Verfahren wird eingestellt. Da passiert gar nichts«, so Steinmann. Spätestens jetzt ist klar: Jenssen wollte die BI-Mitglieder wohl tatsächlich einschüchtern.
Indes haben Percy Merkelbach und die anderen Teilnehmenden der BI einen Beschwerdebrief formuliert. Das Schreiben, das dem WochenSpiegel vorliegt, wurde von 14 Augenzeugen unterschrieben und ist unterwegs an Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Vorsitzende der SPD-Fraktion im Mainzer Landtag, sowie an Hendrick Hering, Präsident des Landtags.
Merkelbach und seine Mitstreiter sind überzeugt: »Wer so mit den Bürgern und ihren Anliegen umgeht, kann sie auf keinen Fall in Mainz vertreten.«