»God Stuw« oder Ärgernis?
Gerade wurde die Miete für die Stadthalle im Gerolsteiner Rondell mehr als verdoppelt. Wer soll das bezahlen, wenn die einfachsten Funktionen fehlen? Ein Rückblick auf das »Räuber«-Konzert.
GEROLSTEIN.Das Konzert der Kölschen Band »Räuber«, das am Samstag, 24. Mai, in der Stadthalle im Rondell stattgefunden hat, lockte Menschen von nah und fern in die Brunnenstadt. Rosemarie Kaufmann-Groben (73) und ihr Sohn Patrick (36) aus Hallschlag hatten auch Karten zu etwas mehr als 60 Euro gekauft und freuten sich auf diesen gemeinsamen Abend. Zum ersten Mal ging es in die Stadthalle. Sie seien besonders früh losgefahren, berichtet die Mutter dem WochenSpiegel, um einen Parkplatz in Fahrstuhl-Nähe zu finden. Dazu muss man wissen, dass Patrick Kaufmann unter einer Spastik leidet, die aus einem Sauerstoffmangel bei seiner Geburt resultiert. Für den Sohn sei der Rollstuhl wichtig, auch wenn er glücklicherweise »etwas laufen kann«, wie seine Mutter sagt.
Allerdings war der einzige Fahrstuhl zur Stadthalle defekt. Nicht etwa, dass man eine größere Information sichtbar angebracht und auf eine andere Lösung hingewiesen hätte: Noch Tage später stand nur in dem winzigen Funktionsfeld, das sonst die Fahrtrichtung des Aufzugs anzeigt, »Ausser Betrieb«. Rosemarie Kaufmann-Groben wusste, dass oben die Passage ist und versuchte von dort einen Zugang zur Stadthalle zu finden. »Wir mussten die Treppen dann runter gehen.« Den Rollstuhl für den Sohn habe sie im Auto gelassen, den habe sie nicht auch noch schleppen wollen. Stattdessen habe sie den Klapphocker für Patrick mitgenommen, der eigentlich für sie selbst gedacht war.
Im Konzertsaal trafen sie auf weitere Betroffene im Rollstuhl oder mit anderen Gehhilfen. Wie waren sie in die Stadthalle gelangt? »Wir haben die Leute mit einer großen Manpower hier durch das Treppenhaus nach oben getragen«, sagt Michael Reinarz vom Veranstalter »Time Musik« in Gerolstein. Am Samstagmittag sei vom Hausmeister die Info bei ihm angekommen, dass der Aufzug nicht funktioniert. Zu diesem Zeitpunkt habe er keinerlei Information dazu gehabt, ob und wie viele der Gäste behindert sind oder im Rollstuhl sitzen. Auch die lokalen Vorverkaufsstellen, die er gleich angefragt habe, hatten keine Info dazu. »Umso erstaunter waren wir, als so viele Gäste mit Beeinträchtigungen kamen, die auf den Fahrstuhl angewiesen waren. Sie waren teils aus Euskirchen angereist. Eine Gruppe kam von der Lebenshilfe vor Ort«, berichtet Reinarz.
In einem Fall sei das Hochtragen aber nicht möglich gewesen. Das Gewicht inklusive des Rollstuhls sei zu hoch gewesen. »Es tut mir in der Seele leid, einem Menschen die Teilnahme nicht ermöglichen zu können. Die Person gehörte zu einer Gruppe. Alle kamen rein, nur dieser eine Mensch nicht. Für mich als Veranstalter und für mich persönlich war das äußerst bitter.«
Die Technik und die Getränke habe er zum Glück bereits Tage vorher in die Halle gebracht und an diesem Tag nur noch aufbauen müssen. Schlechte Erfahrungen mit Gerolsteins »guter Stube« machte Reinarz nicht zum ersten Mal: »Wir hatten einmal die Situation, dass wir alles hochtragen mussten, weil der Fahrstuhl ausgefallen war. Da wuchtet man Kisten, die 100 Kilogramm und mehr wiegen«, erinnert er sich.
An 24. Mai waren es die prominenten Musiker aus Köln, die ihre Instrumente die Treppe hochschleppen mussten. Und der Abend hielt noch eine weitere Überraschung für Veranstalter und weibliche Gäste bereit: »Während des Konzertes haben die Abflüsse von den Damentoiletten nicht funktioniert. Wir mussten die Damen deshalb bitten, die Herrentoilette zu benutzen.« Aus Reinarz Sicht müssen Toiletten funktionieren. Zudem sollte hier ein zweiter, deutlich größerer Fahrstuhl im Einsatz sein. Vor diesem Hintergrund sei er wenig begeistert davon, dass die Stadt die Miete für diese Halle kürzlich mehr als verdoppelt habe, sagt Reinarz.
Tatsächlich wurde die Miete von bislang 600 auf 1.400 Euro netto plus Nebenkosten mehr als verdoppelt. Das begründet Stadtbürgermeisterin Steffi Lorisch damit, dass der Preis schon lange zuvor nicht mehr angepasst worden sei. Und mit dem »Sanierungsstau«, der das Gebäude Rondell insgesamt und speziell die darin befindliche Stadthalle betreffe. Die Stadt müsse hier viel Geld investieren. Man sei gerade dabei eine Liste zusammenzustellen.
Die erste Investition wird jetzt auf die Schnelle fällig: Zunächst war man davon ausgegangen, die Pl,atine sei defekt und hat für 10.000 Euro eine neue geordert. Allerdings war das gar nicht der Grund. Duie Ursache ist bis huete, 27. Juni, noch nicht gefunden. Dabei hatte Lorisch hatte damit gerechnet, dass das Problem bereits bis Anfang Juni behoben werden könnte
Was, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen aus solchen Gründen nicht an einem Event teilnehmen können? »Es tut mir leid, aber wir können das leider nicht ändern. Der Hausmeister hat es vielfach geschafft, den Fahrstuhl schnell wieder zu reparieren. Das war in diesem Fall leider anders. Wir erstatten natürlich den Eintrittspreis.« Die Stadthalle sei eben mitten in diesem Gebäude untergebracht, das sei auch aus ihrer Sicht »äußerst unglücklich«. Immerhin hat Lorisch Anfang Juni auch Positives anzumerken: Die Damentoiletten seien wieder funktionstüchtig.
Mit dem Konzert der Räuber endete das Ärgernis noch nicht: Als Rosemarie Kaufmann-Groben und ihr Sohn den Ausgang nach oben zu ihrem Parkplatz nehmen wollten, stand eine Barke im Weg. Der Ausgang: verschlossen. Sie trafen Bekannte, die anboten, sie von der Brunnenstraße nach oben zum Auto zu bringen. »Ohne sie hätte ich mit meinem Sohn durch die ganze Stadt laufen müssen«, so Kaufmann-Groben. Steffi Lorisch bestätigt das: »Diese Tür wird um 21 Uhr vom Sicherheitsdienst abgesperrt.“ Grund dafür seien Vorfälle von Vandalismus in der Vergangenheit.
Und Veranstalter Michael Reinarz? Nach dem Konzert hatte er die gesamte Technik in der Stadthalle zurückgelassen, in der Hoffnung, dass bald der Fahrstuhl wieder funktionieren würde. Weil das immer noch nicht der Fall ist, musste er kürzlich alles »mit viel Manpower« durch das Treppenhaus schleppen. Reinarz hatte also noch einmal zusätzlich finanziellen und körperlichen Aufwand.