Andreas Bender

Heimat Europa Filmfestspiele 2025 starten glanzvoll

Simmern. Einen in jeder Hinsicht gelungenen Eröffnungsabend erlebten die siebten Heimat Europa Filmfestspiele am Freitag, 8. August, auf dem Fruchtmarkt in Simmern.

Regisseur und Schirmherr der Filmfestspiele Edgar Reitz (rechts) mit "Leibniz"-Hauptdarsteller Edgar Selge.

Regisseur und Schirmherr der Filmfestspiele Edgar Reitz (rechts) mit "Leibniz"-Hauptdarsteller Edgar Selge.

Bild: HEFF / Werner Dupuis

Das vielköpfige Team vom Pro-Winzkino und die Stadt Simmern konnten am Ende nicht zufriedener sein. Nach monatelanger Vorbereitungszeit erfüllte sich zunächst eine der Hauptbedingungen für einen gelungenen Start in das zweiwöchige Filmfestival: Das Wetter bescherte allen Mitwirkenden und den mehr als 300 Zuschauern auf dem Platz vor der Stephanskirche eine jener lauen Sommernächte, die es für eine Veranstaltung, die ihr Flair erst unter freiem Himmel voll entfaltet, einfach braucht. "Ein solches Festival ist für uns als kleine Stadt schon eine große Sache", sagte Stadtbürgermeister Andreas Nikolay. Dass der Auftakt an diesem Abend wirklich "groß" werden würde, hatten die Verantwortlichen zwar gehofft, doch von einer solchen Intensität des Dargebotenen und einer derart riesigen Begeisterung hatten wohl nur die eingefleischten Optimisten zu träumen gewagt.

 

In erster Linie lag es an dem besonderen Ehrengast, der einmal mehr der kleinen Stadt Simmern einen Besuch abstattete, der Stadt, die ihn 2002 zum Ehrenbürger ernannt hatte - und der der 92-jährige Filmemacher nicht nur mit seinen "Heimat"-Werken etwas zurückgegeben hat, das für Simmern von unschätzbarem Wert ist. Auch dass er den nach ihm benannten Filmpreis "Edgar" ins Leben gerufen hat, zeigt die enge Verzahnung dieser Filmfestspiele mit dem in Morbach geborenen Regisseur. Edgar Reitz hat die Filmfestspiele in Simmern entscheidend mit auf den Weg gebracht, ist auch bei der siebten Auflage wieder Schirmherr und stand am Eröffnungswochenende stets im Mittelpunkt des Geschehens.

 

Bis wenige Tage vor dem Festival blieb offen, ob der betagte Filmemacher die lange Reise von München in den Hunsrück antreten würde. Nachdem dann die endgültige Zusage kam, lag eine besondere Spannung in der Luft. Die war förmlich greifbar, als Moderator Holger Wienpahl (SWR) den Abend am Freitag eröffnete, Veranstalter und Gäste auf die Bühne bat und zum Schluss das Barockensemble Interchange ankündigte, das die Zuhörer unter anderem mit Auszügen aus der Filmmusik von "Leibniz - Chronik eines verschollenen Bildes" musikalisch in die Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts, in der der große Philosoph, Mathematiker und Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz gewirkt hat, versetzte.

 

Welche Bedeutung die Stadt Simmern für Edgar Reitz hat, ließ er im Anschluss das Publikum wissen: "Es ist das wirkliche Glück, hier zu sein. Alles, was ich denke und fühle, hat hier seinen Anfang genommen." Hier in Simmern ist er zur Schule gegangen. Die Postlichtspiele habe er damals verächtlich links liegen lassen, "weil dort in der Nachkriegszeit unsäglich kitschige Filme liefen." Seine Abiturprüfung bescherte ihm dann, dass er im Fach Religion - als einziger seines Jahrgangs - zur Prüfung ranmusste, erzählte Reitz dem Publikum. Ausgerechnet Religion. Einen Zugang zu dem Fach und letztendlich zu seiner Abiturprüfung habe er erst erhalten, nachdem er kurz zuvor Leibniz und dessen Theorien zum wissenschaftlichen Gottesbeweis gelesen hatte. Das habe er zu seinem Prüfungsthema gemacht, "und bekam dafür glatt einen Einser", schmunzelte Reitz und schlussfolgerte: "Da hab' ich mir gedacht, da möchte ich doch dem Herrn Leibniz in meinem Leben irgendwann danken."

 

Hat er dann auch, wenn auch erst im hohen Alter. "Leibniz - Chronik eines verschollenen Bildes" habe sich allerdings als schwere Geburt herausgestellt, nach Unterbrechung durch Corona und allerlei anderen Hürden. "Ich habe ehrlich gesagt die Hände überm Kopf zusammengeschlagen", berichtete der ebenfalls anwesende Drehbuchautor Gert Heidenreich auf die Frage von Moderator Wienpahl, wie er denn auf die "Leibniz"-Idee von Edgar Reitz reagiert habe. "Ich ahnte, was für eine Arbeit auf uns zukommen würde." Vielleicht musste Edgar Reitz erst ein hohes Alter erreichen, um sein Projekt umzusetzen. "Edgar Reitz ist ein großer Philosoph", betonte Heidenreich. Gleichwohl betonte Reitz: "Wir wollten keinen gedankenschweren Philosophenfilm machen." In "Leibniz" geht es um ein Portrait, dass dieser von sich anfertigen lässt. "Auch wir Filmemacher machen Portraits", führte Reitz aus. "Welche Wahrheit, welche tiefe Erfassung einer Person kann ein einzelnes Bild hervorbringen?" "Welche Wahrheit kann ein Film?"

 

Gebannt hingen die Zuhörer an seinen Lippen. Moderator Holger Wienpahl warf treffend ein: "Wenn ich Sie so reden höre, sind Sie so unfassbar jung." Salome Kammer hatte eine Erklärung. Wann immer es um Film, ums Drehen gehe, zeige Edgar Reitz große Leidenschaft, Engagement und dabei große Vitalität. "Es fließt dann so viel Energie aus ihm heraus." Mit einem Augenzwinkern fügte Kammer an: "Er braucht halt artgerechte Haltung, er braucht das Drehen." Und prompt schob der Regisseur einen weiteren jener monumentalen Sätze nach, mit denen er sein Publikum stets fasziniert: "Leinwand und Mensch bilden ein Ereignis. Film ist nicht auf der Leinwand, sondern in den Köpfen und Herzen der Menschen - das ist die Projektionsfläche."

 

Anschließend wurde der neue Film von Edgar Reitz, "Leibniz - Chronik eines verschollenen Bildes", auf dem Fruchtmarkt sowie im Kinosaal gezeigt. Den Film habe Reitz in Simmern nach der Premiere bei der diesjährigen Berlinale erst zum zweiten Mal vor Publikum gesehen, wie er bekundete.

 

Beim Abendprogramm am Samstag ging es französisch zu. Zunächst musikalisch mit dem International Cajun Trio, bei dem Yannick Monot, Helt Oncale und Biber Herrmann zahlreiche Facetten der franko-kanadischen Einwanderer im USA-Südstaat Louisiana mit Fiddle, Akkordeon, Gitarre, Mundharmonika und Mandoline zu Gehör brachten - mal heiter beschwingt, mal bluesig mit Tiefgang, dann wieder herrlich verträumt, direkt aus dem Mississippi-Delta auf den Simmerner Fruchtmarkt. Im Anschluss wurde der erste Wettbewerbsfilm "Les Barbares" gezeigt.

 

Am Sonntag wurde "Leibniz" erneut im Pro-Winzkino gezeigt. Danach sprach der Regisseur noch einmal über seinen Film. Drehbuchautor Gert Heidenreichs schilderte in dem Rahmen unter der Überschrift "Einen Leibniz schreiben", vor welchen Problemen er und Reitz standen, als sie daran arbeiteten, den großen Denker Leibniz auf die Kinoleinwand zu bringen. Sein Fazit gleich zu Beginn: "Neun Jahre Arbeit mit Edgar Reitz waren eine wahre Freude." Was es heißt, Kostüme und Szenenbild eines in der Barockzeit spielenden Films zu schaffen, verdeutlichte im Anschluss Christoph Hellhake mit seiner kurzen Dokumentation über die aufwendigen Arbeiten hinter den Kulissen. Begeisterung und Hingabe waren hier die wichtigsten Zutaten.

 

Für die Festspielmacher galt das auch fürs erste Wochenende der Heimat Europa Filmfestspiele. Kurator Janis Kuhnert freute sich über den starken Publikumszuspruch. "Edgar Reitz als Schirmherr hat sicher viele Leute angezogen. Er hat einfach eine große Ausstrahlung", sagte Kuhnert, blickte aber gleich auch nach vorn: "Der Wettbewerb um den ,Edgar' geht ja jetzt erst richtig los. Und wir werden noch spannende Gäste bei uns begrüßen."

 

Die Heimat Europa Filmfestspiele laufen noch bis einschließlich Samstag, 23. August, in Simmern. Infos: www.heimat-europa.com  


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