Andreas Bender

Nach 40 Jahren: Aus für das Mittelalterliche Spectaculum in Oberwesel 

Oberwesel. Das Mittelalterliche Spectaculum ist Geschichte. Das ist das Fazit der jüngsten Mitgliederversammlung des Vereins zur Erhaltung mittelalterlichen Brauchtums in Oberwesel.

Nach der 20. Auflage im vergangenen Jahr ist für das Spectaculum vorerst Schluss.

Nach der 20. Auflage im vergangenen Jahr ist für das Spectaculum vorerst Schluss.

Bild: Spectaculum

Die seit 1985 stattfindende Veranstaltung, die Tausende Mittelalter-Fans alle zwei Jahre an Pfingsten in ihren Bann gezogen hat, wird es zukünftig in der Form nicht mehr geben. Ungewöhnlich viele Mitglieder hatten sich an diesem Abend eingefunden, weil bereits im Vorfeld Gerüchte kursierten. Die Versammlungsteilnehmer wollten wissen, wie es mit dem Fest weitergeht.

 

Zunächst blickte Geschäftsführer Bernhard Kremer auf das - trotz rückläufiger Besucherzahlen - alles in allem erfolgreiche 20. Spectaculum in 2024 zurück. Er hob hervor, dass sich nach mehrjähriger Pause erfreulicherweise wieder eine Trommlergruppe formiert habe, die eine echte Bereicherung des Fests gewesen sei. Anschließend richtete Vorsitzender Jo Fladl den Blick in die Zukunft. Und diese sieht ganz und gar nicht rosig aus. "Es sind die Auflagen, die kaum noch zu stemmen sind - weder personell und organisatorisch noch finanziell", wie der Vereinschef ausführte. Das gehe bei den Sicherheitsbestimmungen los und reiche bis zu den Brandschutzauflagen und Haftungsfragen.

 

Die inzwischen verschärften Vorschriften würden das authentische Flair in den historischen Mauern der mittelalterlichen Stadt zunichtemachen. Zum Ambiente gehören vor allem das Stroh, das stimmungsvolle Kerzenlicht am Abend sowie die Dekostoffe, mit denen alles Neuzeitliche kunstvoll verhüllt wird. All das ist den Sicherheitsexperten ein Dorn im Auge. Ohne diese Bestandteile verliere die Veranstaltung jedoch ihren originären Charakter und die Besucher wären mehr als enttäuscht, wenn diese Elemente fehlten, so der Vorsitzende. "Unter diesen Bedingungen wollen und können wir das Fest nicht mehr veranstalten."

 

Allein die Erstellung des geforderten Sicherheitskonzepts verursache Kosten von über 20.000 Euro, in diesem Betrag sei die Umsetzung noch nicht einmal enthalten. Fladl nannte weitere Details der Sicherheitsauflagen, wie personengenaue Erfassung der Besucher mittels Kameraüberwachung, Aufteilung des Festgeländes in einzelne Sektoren mit jeweils einem Sicherheitsbeauftragten, Anfahrbarkeit eines jeden Gebäudes auf dem Festgelände mit Rettungsleiter, Messungen der Beleuchtungsstärke (Lux) bei Dunkelheit, um versicherungs-rechtlich die geforderten Lichtverhältnisse zu gewährleisten. "Nicht, dass wir gegen Sicherheit wären, denn der Schutz der Besucherinnen und Besucher ist uns wichtig. Aber wenn der zuständige Mitarbeiter der Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück nie selbst vor Ort war und die besonderen Gegebenheiten aus eigener Anschauung gar nicht kennt, ist das schon mehr als bedauerlich", erklärt Fladl. Bezüglich der Haftung hätten Stadt und Verbandsgemeinde zwar ihre Unterstützung angeboten, dennoch seien es letztlich zu viele Hürden, die man hätte beseitigen müssen. Schlussendlich habe auch die zuletzt fehlende Manpower bei der Durchführung des Fests eine Rolle gespielt, auch weil einige Vorstandsmitglieder aufgrund des Alters an ihre körperlichen Grenzen gestoßen seien.

 

Auch die Mitglieder waren einhelliger Meinung, vorerst einen Schlussstrich zu ziehen und alternative Veranstaltungsmöglichkeiten zu suchen, die das mittelalterliche Erbe von Oberwesel bewahren und erlebbar machen. Dazu werden sich in den nächsten Wochen und Monaten Arbeitsgruppen zusammenfinden, die neue Konzepte und Ideen entwickeln, wie das Spectaculum in einer anderen und sicherlich abgespeckteren Form weitergeführt werden kann, etwa als Sänger- oder Gauklerwettstreit. Gleichzeitig muss man sich über das Festgelände Gedanken machen, auch unter der Maßgabe, dass Oberwesel, vom in der Stadt laufenden Breitbandausbau abgesehen, schon bald im Hinblick auf die Bundesgartenschau eine Dauerbaustelle sein wird.

 

Eigentlich sollte bei der Versammlung auch ein Generationenwechsel vollzogen werden und neue Köpfe das Ruder des Vereins übernehmen. Allerdings kamen die betreffenden Vorstände nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, in dieser Umbruchsphase ihre Ämter weiterzuführen, um den Fortbestand des Vereins zu sichern. Das heißt: zum einen Sicherung der langjährigen Erfahrung und des Know-hows, zum andern des Vereinsvermögens.

 

Bei den Wahlen wurden alle Vorstände von der Versammlung einstimmig in ihren Ämtern bestätigt. Jo Fladl steht damit weiterhin an der Spitze des Vereins, sein Stellvertreter ist Franz-Josef Muders. Geschäftsführer ist Alexander Becker (Stellvertreter Bernhard Kremer), Schatzmeister Günter Persch. Außerdem gehören dem Vorstand Jochen von Osterroth, Erik Zeuner und Dieter Metzger an. Auch Ehrungen gab es, und zwar wurden Heike und Ingelore Becker, Altbürgermeister Thomas Bungert sowie Liesel Castor für ihr vorbildliches Engagement mit dem Verdienstorden des Vereins ausgezeichnet.

 

Alle, die an einer Neuausrichtung des Spectaculums mitarbeiten und Ideen einbringen möchten, sind dazu herzlich eingeladen und können sich gern an den Vorsitzenden oder die übrigen Vorstandsmitglieder wenden oder unter vorsitzender@spectaculum-oberwesel.de eine E-Mail an den Verein richten.


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