Notdienstzentrale in Emmelshausen schließt
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz hat kurzfristig mitgeteilt, in den kommenden Wochen mehrere Bereitschaftspraxen in Rheinland-Pfalz zu schließen. Die KV begründet dies mit einem Urteil des Bundessozialgerichts, das die Klage eines Zahnarztes aus Baden-Württemberg behandelt hat. Von den Schließungen zum 1. Januar 2024 durch die KV ist auch die Bereitschaftsdienstzentrale in Emmelshausen betroffen. "Uns wurde dies kurzfristig mitgeteilt, ohne, dass es vorab irgendeine Information oder eine Erklärung dazu gab", erklärt Landrat Volker Boch, "dafür fehlt mir jegliches Verständnis."
Das Urteil des Kasseler Gerichts führt dazu, dass die Ärzte, die nicht niedergelassen sind, sogenannte Poolärzte, der Sozialversicherungspflicht unterliegen und daher Abgaben zahlen müssen. Die KV geht aufgrund der Entscheidung wohl davon aus, künftig ebenfalls Beiträge zur Sozialversicherung abführen zu müssen. "Mit großem Missfallen haben wir die Ankündigung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Schließung der Bereitschaftsdienstzentrale in Emmelshausen zur Kenntnis genommen. Es ist für viele Bürgerinnen und Bürger nicht zu verstehen und für unsere Region schwer hinzunehmen, dass Praxen auf diese Weise aus der medizinischen Landschaft verschwinden und unsere Region dadurch weiter geschwächt wird. Denn das oberste Ziel muss es sein, dass die Menschen vor Ort im Alltag und im Notfall gut und ausreichend versorgt sind", erklärt Landrat Boch. "Bei allem Verständnis für die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Urteils muss die Versorgung der Menschen im Vordergrund stehen."
Bei dem Urteil handele es sich um eine Einzelfallentscheidung zu einer Klage aus Baden-Württemberg im Umfeld eines zahnärztlichen Notdienstes und richte sich nicht unmittelbar gegen die KV Rheinland-Pfalz, heißt es aus dem Kreishaus. "Warum die KV Rheinland-Pfalz kurzfristig und ohne Abstimmung diese Konsequenz zieht, kann ich nur schwer nachvollziehen", so Landrat Boch weiter, der sich in einem Schreiben an die KV wenden wird. Erhebliche Kritik melden auch der Landkreistag Rheinland-Pfalz und der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein, Peter Unkel, gegen die Entscheidung der KV an.
Mit der Bereitschaftsdienstzentrale in Simmern, den Bereitschaftsdienstzentralen in den umliegenden Landkreisen, der Hunsrück Klinik kreuznacher diakonie in Simmern und dem Krankenhaus Heilig Geist in Boppard gibt es weiterhin Angebote zur Gewährleistung der ärztlichen Versorgung außerhalb der normalen Dienstzeiten. Auch haben viele hausärztliche Praxen und MVZ im Rhein-Hunsrück-Kreis lange Öffnungszeiten. Allerdings wurde gerade in Emmelshausen kürzlich erst eine etablierte Hausarztpraxis geschlossen, was vor Ort zu erheblichen Problemen führt.
"Das regionale Versorgungssystem wird durch diese Entscheidung der KV perspektivisch eher noch enger als besser", sagt Landrat Boch. "Es muss aber weiterhin eine stabile zukünftige ärztliche Versorgung in der ländlichen Region geben. Hier sehe ich die KV bei allem Verständnis für betriebswirtschaftliche Interessen absolut in der Pflicht. Wir werden die Ankündigung der KV zur Schließung der Bereitschaftszentrale in Emmelshausen zum Anlass nehmen, die Situation erneut und nachdrücklich mit den Beteiligten zu erörtern", kündigt der Landrat weiter an.
Lesen Sie nachstehend die Pressemitteilung der KV RLP vom 17. November:
Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zur Sozialversicherungspflicht von freiberuflich tätigen Poolärztinnen und -ärzten hat konkrete Auswirkungen auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in Rheinland-Pfalz. Weil neben deutlichen Kostensteigerungen auch massive Mehrbelastungen auf die ohnehin bereits an der Leistungsgrenze arbeitenden Praxen zukommen, ist die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) gezwungen, den ÄBD anzupassen und Angebote zu reduzieren. Ab dem 1. Januar 2024 müssen als Folge des Urteils einige Ärztliche Bereitschaftspraxen (ÄBP) geschlossen und Öffnungszeiten reduziert werden, um die ambulante Versorgung für die Menschen in Rheinland-Pfalz insgesamt weiter aufrechterhalten zu können.
Ungeachtet der immer wieder vorgetragenen Warnungen der Kassenärztlichen Vereinigungen hatte das Bundessozialgericht am 24. Oktober 2023 entschieden, dass externe Ärztinnen und Ärzte im ÄBD sozialversicherungspflichtig sind. Betroffen davon sind in Rheinland-Pfalz 427 Poolärztinnen und -ärzte, die rund 60 Prozent der Bereitschaftsdienste abdecken. Die KV RLP muss für diese Gruppe nun auch rückwirkend die Beiträge zur Sozialversicherung abführen. Die Personalkosten steigen durch das Urteil um 30 Prozent, dazu kommt ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Neben den wirtschaftlichen Folgen bedeutet das Urteil den Verlust von Poolärztinnen und -ärzten und eine massive Mehrbelastung der ohnehin an der Belastungsgrenze arbeitenden Praxen. Zudem steht im Raum, dass in Praxen angestellte Ärztinnen und Ärzte sowie Ü65-Jährige, die freiwillig Bereitschaftsdienste übernehmen, ebenfalls unter die Sozialversicherungspflicht fallen.
Änderungen ab Januar 2024
Um der Gefährdung der ärztlichen ambulanten Akutversorgung im Sinne der Patientinnen und Patienten entgegenzuwirken, sind ab dem kommenden Jahr strukturelle Maßnahmen mit Blick auf die begrenzten, vorhandenen Ressourcen unausweichlich. Zum einen werden die ÄBP Altenkirchen, Andernach, Emmelshausen, Frankenthal, Gerolstein, Ingelheim und Landstuhl geschlossen. Daneben werden analog zur Regelung in den meisten anderen Bundesländern alle ÄBP in der Nacht geschlossen. Am Tag werden die Öffnungszeiten eingeschränkt. So sind die ÄBP montags, dienstags und donnerstags geschlossen. Mittwoch, Freitag, an Wochenenden und Feiertagen gelten reduzierte Zeiten. Der Fahrdienst bleibt in seiner jetzigen Form bestehen. Auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte kommt in der Konsequenz aus dem Urteil neben den Mehrbelastungen bei den Diensten eine deutlich höhere Umlage von 340 Euro (bisher 270 Euro) monatlich zu.
Weiterer Beleg für politische Ignoranz
Für den Vorsitzenden des Vorstands der KV RLP, Dr. Peter Heinz, ist das Urteil ein weiterer Beleg für die politische Ignoranz bei der Sicherung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung: „Wir haben als Kassenärztliche Vereinigungen immer wieder vor den weitreichenden Folgen eines solchen Urteils gewarnt. Die Patientinnen und Patienten in Rheinland-Pfalz sind jetzt die Leidtragenden einer immer weiter von der Politik forcierten Aushöhlung des ambulanten Systems. Anstatt dieses zu stärken, wird hier einmal mehr sehenden Auges die Gefährdung der ambulanten Versorgung in Kauf genommen.“ Sein Stellvertreter Dr. Andreas Bartels ergänzt: „Das Urteil ist eine Zumutung für unsere Praxen und unsere Patientinnen und Patienten. Für uns muss es jetzt aber erst einmal darum gehen, die daraus resultierenden Folgen so gut es geht abzufedern.“
Die ab Januar greifenden Maßnahmen sollen einen Beitrag dazu leisten. Daneben soll die etablierte Patientennummer 116117 durch gezielte Patientensteuerung Entlastung im ÄBD schaffen. Dr. Heinz fordert von der Politik darüber hinaus eine langfristige Lösung: „Um den Ärztlichen Bereitschaftsdienst dauerhaft sichern zu können, muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen die uns finanziell und personell auch die hierfür notwendigen Möglichkeiten bieten. Wir können es uns nicht leisten, die knappen personellen Ressourcen in der ambulanten Versorgung immer weiter zu belasten und die Niederlassung auch durch die Folgen solcher Urteile immer unattraktiver zu machen.“ Dr. Bartels macht deutlich: „Wenn die Politik weiter untätig bleibt, ist das letztlich auch eine Form unterlassener Hilfeleistung.“