"Wir verwalten uns zu Tode"
Die Wirtschaft in Deutschland schwächelt weiter. So stehen auch im Rhein-Hunsrück-Kreis viele Unternehmern vor Herausforderungen. »Wir leben in gefühlt unsicheren Zeiten«, sagt Martin Partenheimer, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft (KHS) Rhein-Nahe-Hunsrück. »Das trifft vor allem Branchen, die vormerklich Privatkunden bedienen. Hier ist die Zurückhaltung groß. Trotzdem sind bei den meisten Handwerkern die Auftragsbücher voll.«
Das hat auch mit dem Fachkräfte- beziehungsweise Personalmangel zu tun. Viele Betriebe haben einfach zu wenig Mitarbeiter, um alle Aufträge zeitnah umzusetzen. Dazu kommt der demografische Wandel. In den nächsten Jahren werden sich noch mehr Mitarbeiter in die Rente verabschieden. Dies trifft auf so ziemlich alle wirtschaftlichen Bereiche zu.
»Die Zahl der Jugendlichen, die in Ausbildungsberufen nachrückt ist begrenzt«, sagt Knut Schneider, Regionalgeschäftsführer der IHK. »Wir müssen Fachkräfte neu denken. Dazu gehört auch die Zuwanderung von Menschen, die im Ausland Qualifizierungen haben. Leider werden diese dann hier oft nicht anerkannt.« Hier müssten schnellere und unbürokratische Lösungen gefunden werden. Zudem dürfen viele nicht arbeiten, weil ihr Status monatelang nicht geklärt ist und ein Antrag in der Bürokratie feststeckt. »Das Interesse an Arbeitskräften aus dem Ausland ist bei vielen Unternehmen groß, auch in der Region. Das hat auch die erste Jobmesse für Zugewanderte im Kreis vor einigen Wochen gezeigt.«
Zudem ist das Ausschöpfen der Potentiale von (zugewanderten) Menschen in der Region wichtig, betont Schneider. Qualifizierungen, Validierungen und Weiterbildungen von gering oder teilqualifizierten Arbeitskräften sind ebenfalls bedeutsam. All das ist nicht neu. Der Mangel an Arbeitskräften beschäftigt die Wirtschaft seit Jahren. Nicht nur beim Thema Fachkräfte-Zuwanderung »verwalten wir uns zu Tode«, erklärt Schneider. »Es muss ein anderes Mindset bei den Verwaltungen her«, finden die beiden. »Denn diese sind auch da, um Unternehmen und Bürger zu unterstützen, nicht um diese auszubremsen.«
Es wird zu wenig hinterfragt, welche Vorschriften überhaupt notwendig sind oder welche Prozesse entschlackt werden können. »Es gibt genügend Vorschriften – ob zum Arbeits- oder Umweltschutz – die vom Grundgedanken gut und wichtig sind, für Firmen allerdings nicht praktikabel sind. Besonders kleine Unternehmen sind oft völlig überfordert«, betont Partenheimer.
Schneider ergänzt: »Wir versuchen zu oft Dinge auf die falsche Weise!« Ein gutes oder eben schlechtes Beispiel für die überbordende Bürokratie ist das Lieferkettengesetz. »Wir schießen uns ins Knie«, so Partenheimer. »Der Gedanke ist gut, aber der Ansatz falsch. Viele Handwerksbetriebe können eine lückenlose Dokumentation, etwa von Ersatzteilen, gar nicht erbringen und verzichten dann auf Aufträge. Selbst mit einer Dokumentation hat das keine Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen weit weg von der EU. Aberwitzig ist: Dokumente von sogenannten ‚Schurkenstaaten‘, die belegen, dass es keine Kinderarbeit gibt, werden anerkannt – Zeugnisse von Menschen aus der Ukraine oder anderen Ländern, die bei uns arbeiten wollen, werden nicht anerkannt.«
Kurzum: Es fehlt heute zu oft der gesunde Menschenverstand bei Erlass oder Umsetzung von bürokratischen Prozessen. Partenheimer und Schneider wünschen sich, dass mehr auf die Alltagsrealität geachtet wird. So sollte die spätere Umsetzung von Vorschriften/Auflagen von der Politik alltagstauglich ausgearbeitet und nicht einfach Bürgern und Wirtschaft »vor die Füße geworfen werden. Wir müssen weg von einer Verhinderungspolitik. Die Frage muss immer sein: Was hilft, was hindert? Dann gibt es auch weniger Unsicherheiten bei Unternehmen«, sagen sie.
Nicht nur für diesen Aspekt halten die beiden einen regelmäßigen Austausch von Verwaltung, Politik und Wirtschaft für sinnvoll und notwendig, um auf die Belange des jeweils anderen eingehen zu können. Das beginnt auf lokaler Ebene. »Hier könnte man gemeinschaftlich eine Strategie entwickeln. Wir haben ein gutes Potential in unserer Region«, sagt Schneider. Er und Partenheimer sind sich sicher: »Bei allem, was uns (wirtschaftlich) voranbringen kann, muss der Grundsatz gelten: Gemeinschaftlich, nicht kleingeistig!«

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