SP

AGF: Vier Jahrzehnte im Einsatz für den Frieden

Seit 40 Jahren gibt es die Arbeitsgemeinschaft Frieden (AGF) in Trier. Bei einer Gesprächsrunde blickten Verantwortliche kürzlich auf Höhen und Tiefen zurück.

Klaus Jensen kam im Alter von 15 Jahren zum ersten Mal mit dem Thema Frieden in Berührung. Der gebürtige Duisburger erinnert sich noch, wie in den Nachrichten über den Vietnamkrieg berichtet wurde. "Damals liefen jeden Abend diese schrecklichen Bilder von Napalm verbrannten Kindern im Fernsehen. Das hat mich als Schüler total umgehauen. Ich wusste gar nicht, wohin mit meinen Gefühlen", erzählt Jensen. Er kam mit Kriegsgegnern ins Gespräch. "Das war 1967 und seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen", sagt Jensen. 1976 kam er als Sozialplaner nach Trier. "Ich wollte mich auch hier friedenspolitisch engagieren, fand aber keine 'Szene' vor", erzählt der spätere Trierer Oberbürgermeister.

Erste Trierer Friedenswoche organisiert

Es folgten viele Gespräche, auch mit Vereinen und Institutionen. In einem Arbeitskreis organisierte man nach niederländischem Vorbild, die erste Trierer Friedenswoche. Die Resonanz war gewaltig. Zu den Veranstaltungen in den folgenden sechs Wochen kamen 6000 Besucher. "Das hat uns regelrecht überrollt", erinnert sich Jensen. Bei vielen zeigte sich das Bedürfnis, diese Friedensarbeit fortzusetzen. So entstand am 12.3.1979 die Arbeitsgemeinschaft Frieden. "Wir haben direkt mit vier Arbeitskreisen angefangen. Der Zuspruch war so groß, dass wir ein regionaler Bestandteil dessen waren, was dann bundesweit entstanden ist", sagt Jensen. 1982 wurde das erste Trierer Friedenszentrum in der Palaststraße eröffnet. Ein Höhepunkt in der Geschichte der AGF war der Besuch des Friedensnobelpreisträgers 1979, Adolfo Perez Esquivel 1983.

Im Visier der Stasi 

Von Anfang an dabei war Thomas Zuche, heute 2. Friedensarbeiter. "Bei uns zu Hause war der zweite Weltkrieg ein großes Thema. Mir war schon als Kind klar, dass ich etwas tun wollte, um so etwas Schreckliches zu verhindern." Er verweigerte den Kriegsdienst und wurde Mitglied bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. So kam er mit Klaus Jensen in Kontakt. Ein Schwerpunkt war zwischen 1987 und 1992 war die regionale Militäranalyse (Was tut sich hinterm' Zaun?). "Die Region war gespickt mit Militäranlagen. Wir sind rundgefahren und haben die Leute aufgeklärt", erzählt Zuche. Ein zweiter Schwerpunkt war der Ost- und West Dialog. Es wurde Kontakt zu Friedens- und Frauengruppen der Trierer Partnerstadt Weimar aufgenommen. Dadurch geriet man ins Visier der Stasi. "Am Ende hatten wir eine 200 Seiten starke Akte", sagt Zuche.

Größte Demo in Trier

1992 kam es zur größten Demo, die jemals in Trier stattfand. 6000 Menschen gingen gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit auf die Straße. "Das war damals das gleiche Problem wie heute. Eine zunehmende rechtsextreme Feindlichkeit. Die Schlagworte waren Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen. Es war die Zeit der Lichterketten aber die AGF hat sich bewusst entschieden, eine politische Kundgebung zu machen", erzählt Thomas Kupczik, 3. Friedensarbeiter der AGF. Später kämpfte Kupczik gegen die Abschaffung des Asylrechts. Markus Pflüger ist seit 20 Jahren festangestellter Referent für Friedensarbeit. Sein erster Job war eine Mahnwache vor der Romika Schuhfabrik. "Wir haben es geschafft, dass die Romika dem Zwangsarbeiterentschädigungsfonds beigetreten ist", erinnert sich Pflüger.

Grundsatz: Global denken, lokal handeln

"Wir haben den Grundsatz Global denken, lokal handeln. Deswegen ist es mir ganz wichtig, dass wir Themen finden, die auch einen Bezug zur Stadt Trier haben. Zum Beispiel, dass wir gegen die Geschichtsvergessenheit weiter angehen, in einer Zeit da die Zeitzeugen immer weniger werden", sagt Thomas Zuche über die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus in Trier, die ist nach wie vor ein großes Thema der AGF ist. Den "StattFührer" gibt es heute in der dritten Auflage. In Stadtrundgängen werden auch aktuelle Bezüge eingebunden. Auch die Atombomben des Jagdbombengeschwaders in Büchel (Eifel) betrachtet Zuche mit Sorge. Er sei froh, dass sich die Stadt Trier einer Initiative zur Abschaffung von Atomwaffen angeschlossen hat. "Wir waren noch nie so nah an einem Atomkrieg wie heute. Die Atomkriegsuhr ist 100 Sekunden vor Zwölf", ergänzt Markus Pflüger. "Es ist wichtig, dass wir Zusammenhänge darstellen, denn der Fokus heute woanders liegt", so der Referent, der Krieg und Klimakiller oder Krieg und Flucht als Beispiele nennt.

"Spaltung der Gesellschaft ist größte Herausforderung"

Maria Kronberg, die lange Jahre im Vorstand der AGF tätig war, beschäftigt die Flüchtlingskrise. 50 Prozent der Bevölkerung seien gegen die Aufnahme neuer Flüchtlinge. "Diese Spaltung der Gesellschaft ist die größte Herausforderung, die wir angehen müssen", sagt Kronberg, die in den Neunzigern bosnische Flüchtlinge aufnahm, die vor dem Krieg in ihrer Heimat flohen.

Sehr weites Friedensverständnis fourmuliert

Die AGF habe mit ihrer Gründung ein sehr weites Friedensverständnis formuliert, so Klaus Jensen. "Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern auch von Not, Gewalt, Freiheit und Angst. Die Abrüstung des Militärs muss unbedingt wieder ganz oben auf die Tagesordnung. Die Milliarden aus der Rüstungsindustrie braucht die Welt dringend, um den Klimaschutz zu forcieren und die Armut zu beseitigen." Auch die Verrohung unserer Gesellschaft mit Rechtsruck und Rechtsextremismus betrachtet Jensen mit Sorge.  "Wir können trotz aller politischen, religiösen und ethnischen Unterschiede Identität untereinander schaffen, in dem wir klar machen: Wir haben eine einzige Aufgabe, die uns alle verbindet. Diese Welt vor dem Untergang zu retten und unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt zu hinterlassen."

Über die AGF

Heute hat die AGF 260 Mitglieder, von denen sich 40 aktiv in Arbeitskreisen, im Vorstand oder Weltladen engagieren. Das Friedenszentrum befindet sich mittlerweile in der Pfützenstraße. Weitere Infos gibt es hier.

Weitere Termine zum Jubiläum

  • Mittwoch, 25. März: Vortrag und Gespräch mit Arun Gandhi, Enkel von Mahatma Gandhi um 19.30 Uhr in der Sporthalle des Auguste-Viktoria-Gymnasiums
  • Freitag, 24. April: Um 17 Uhr launige Stadtführung zu ausgewählten Spuren, die die AGF in Trier hinterlassen hat. Treffpunkt ist am Haus Fetzenreich.
MW


Meistgelesen