

Am 1. Dezember 2020 herrschte in der Trierer Innenstadt zunächst der normale vorweihnachtliche Alltag: reger Fußverkehr, Einkäufe, Routine. Um 13:46 Uhr änderte sich das Bild schlagartig. Bei der Integrierten Leitstelle liefen innerhalb weniger Sekunden zahlreiche Notrufe ein. Ein SUV fahre „mit hoher Geschwindigkeit durch die Fußgängerzone, Menschen liegen verletzt auf dem Boden“. Es folgten Minuten, die sich in das kollektive Gedächtnis der Stadt einbrannten.
Der Täter, ein damals 51-jähriger Mann aus Trier, steuerte einen Land Rover Freelander in Zickzacklinien über die Konstantin-, Brot- und Grabenstraße, weiter über den Hauptmarkt und die Simeonstraße, bis die Fahrt nach rund einem Kilometer in der Christophstraße ihr Ende fand. Etwa vier Minuten nach dem ersten Notruf wurde der Fahrer festgenommen; er stand neben dem Wagen und rauchte eine Zigarette.
Sieben Menschen verloren ihr Leben – ein neuneinhalb Wochen altes Baby, sein Vater, drei Frauen im Alter von 25, 52 und 73 Jahren sowie zwei weitere Männer, die in den Monaten und Jahren danach ihren Verletzungen erlagen. Mehr als 20 Personen wurden teils schwer verletzt. Hunderte Menschen, die die Szenen miterleben mussten, leiden bis heute an den psychischen Folgen.
Unmittelbar nach den ersten Notrufen aktivierte die Stadt Trier über das Warnsystem MoWaS eine amtliche Gefahrenmeldung. Trauerbeflaggung folgte, ebenso ein zentraler Anlaufpunkt für Bürgerinnen und Bürger, die eine Möglichkeit zum stillen Gedenken suchten. Bereits am Abend versammelten sich Menschen im Dom zu einem Gedenkgebet, am darauffolgenden Tag fand an der Porta Nigra eine öffentliche Gedenkfeier statt.
Am 3. Dezember 2020 stand Rheinland-Pfalz um 13:46 Uhr still: Eine landesweite Schweigeminute erinnerte an den Moment, in dem das Verbrechen seinen Anfang nahm.
Die strafrechtliche Aufarbeitung des Falls begann im August 2021 vor dem Landgericht Trier. Die erste Hauptverhandlung endete im August 2022 mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe und der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Der Bundesgerichtshof hob jedoch Teile des Urteils auf – nicht das äußere Tatgeschehen, wohl aber die Begründung zur verminderten Schuldfähigkeit.
Die zweite Hauptverhandlung startete 2024. Nach erneuter Beweisaufnahme kam das Gericht am 6. Mai 2024 zum selben Ergebnis: lebenslange Freiheitsstrafe, Einziehung des Fahrzeugs, Entzug der Fahrerlaubnis und eine lebenslange Sperre. Die erneute Revision wurde am 28. Januar 2025 endgültig verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Im Sommer 2024 entstand an der Christophstraße eine zentrale Gedenkstätte, gestaltet vom Künstler Clas Steinmann. Sechs bronzene Stelen, jeweils 2,80 Meter hoch, wurden dort aufgestellt – ein Ort, der bewusst offen gestaltet ist. Menschen können zwischen die Stelen treten, Kerzen abstellen oder persönliche Andenken hinterlassen.
In einer Nische der Anlage wurde zum vierten Jahrestag eine Informationsplakette enthüllt. Neben dieser zentralen Gedenkstätte erinnern Pflasterplatten mit den Namen der Todesopfer an jenen Stellen in der Fußgängerzone, an denen sie ums Leben kamen. Sie wurden 2023 vom Künstler Guy Charlier gestaltet.
Auch am fünften Jahrestag, am 1. Dezember 2025, wird sich Trier erneut versammeln. Das Läuten der Domglocken um 13:46 Uhr wird wie in den Vorjahren den Übergang vom Alltag zum gemeinsamen Erinnern markieren.
Bei der Gedenkfeier im vergangenen Jahr erinnerte Oberbürgermeister Wolfram Leibe in seiner Rede daran, wie tief die Amokfahrt in Trier nachwirkt. Er sagte, viele Menschen wüssten noch immer genau, wo sie sich am 1. Dezember 2020 befanden, als die Sirenen ertönten. Es seien nicht nur die Angehörigen der Opfer, die Narben trügen; Hunderte, vielleicht sogar Tausende Menschen fühlten sich seit diesem Tag in ihrem Leben verändert.
Mit Blick auf die zentrale Gedenkstätte hob Leibe hervor, wie wichtig es sei, dass dieser Ort mitten in der Stadt liege. „Es ist richtig, dass hier im Sommer Menschen im Café sitzen, dass Touristen vorbeikommen. Die Amokfahrt gehört zur Geschichte dieser Stadt – und deshalb gehört das Gedenken in die Öffentlichkeit“, betonte er.
Gleichzeitig würdigte der Oberbürgermeister das Engagement der Einsatzkräfte und der Mitarbeitenden der Kliniken, deren schnelles und besonnenes Handeln Leben gerettet habe. Auch die Arbeit der Stiftung für die Hinterbliebenen stellte er heraus und betonte, wie bedeutend Solidarität und Mitmenschlichkeit für die Bewältigung einer solchen Tragödie seien. „Es ist gut zu wissen, dass wir uns in schwierigen Zeiten aufeinander verlassen können“, sagte Leibe damals.
Trier hat sich in den vergangenen fünf Jahren verändert, ohne seine Offenheit und seinen Alltag zu verlieren. Die Gedenkstätte ist zum festen Bestandteil der Innenstadt geworden. Menschen, die vorbeigehen, bleiben oft stehen – manchmal nur kurz, manchmal länger. Kerzen flackern regelmäßig zwischen den Stelen.
Dass die Erinnerung lebendig bleibt, ist kein Automatismus. Es ist eine Entscheidung, die in jeder Gedenkminute, in jeder stillen Geste und in jedem Gespräch, das an dieses Verbrechen erinnert, neu getroffen wird.
Trier ist fünf Jahre nach der Amokfahrt ein Ort, der den Verlust sichtbar macht – und der denjenigen Raum gibt, die die Last der Erinnerung tragen.
In den Jahren nach dem 1. Dezember 2020 hat die Stadt ein umfassendes „Urbanes Sicherheitskonzept“ umgesetzt: An mehreren wichtigen Zufahrtsstraßen zur Fußgängerzone – etwa an Simeon-, Graben-, Fleisch- und Dietrichstraße – wurden Hochsicherheits-Poller installiert. Diese Poller, teils versenkbar, sollen verhindern, dass Fahrzeuge unbefugt in die Innenstadt gelangen – insbesondere außerhalb der Lieferzeiten. Seit dem 15. September 2025, ist das neue Sicherheitssystem am Hauptmarkt formell in Betrieb.
Text: Kevin Schößler



