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Pünktlich zur Wiedervereinigung: Kurioses aus der DDR

Nur 40 Jahre lang währte der erste und einzige sozialistische Staat auf deutschem Boden. Von 1949 bis 1989 – dem Jahr, in dem der "antifaschistische Schutzwall" fiel – richteten sich die Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ein und entwickelten ihre ganz eigene Alltagskultur – fernab von freier Marktwirtschaft mit all ihren verlockenden Konsumgütern. Der WochenSpiegel hat anlässlich 25 Jahre Wiedervereinigung recherchiert und stellt eine Reihe kurioser Gegenstände vor, die außerhalb der DDR wohl kaum jemand gekannt hat.

Auch wenn die DDR offiziell ein Arbeiter- und Bauernstaat sein wollte, verfügte sie dennoch über einen Hochtechnologiesektor. Der Volkseigene Betrieb (VEB) Kombinat Robotron, zu dem insgesamt 21 Unterbetriebe gehörten, produzierte neben Schreibmaschinen auch Computer, unter anderem für den Heimbedarf. Dabei war die Entwicklungsabteilung gänzlich vom westlichen Know How abgeschnitten, da der Wissenstransfer mit Warschauer-Pakt-Staaten aufgrund von NATO-Verträgen unterbunden wurde.

Von Radios und Toastern

Ein erfolgreiches Modell war der mit fünf Megahertz getaktete 16-Bit Rechner EC 1834, auf dem sogar Windows 3.0 lauffähig gewesen sein soll und von dem ab 1986 rund 34.000 Stück hergestellt wurden. Vom selben Hersteller kam 1975 das Radio "Lausitz 2002", dessen Designsprache auch heute noch modern wirkt. Grillfreunde freuten sich unterdessen über den "Acosta-Grill", den man bequem in der Wohnung einsetzen konnte. Dabei befand sich oberhalb des nach vorn ausziehbaren Rostes ein geschlungener Heizstab; zur Sichtkontrolle des Grillgutes genügte lediglich das Aufklappen des Grilldeckels. Gleichzeitig toastete man im "Lava Sirat (Sicht-Rapid-Toaster)" Weißbrotscheiben. Das Design stammte von Eberhard Päßler, der das Gerät zunächst in seiner eigenen Firma produzierte, bevor er 1972 enteignet wurde und der Betrieb in die VEB Elko Dresden überging.

"Aubi"-Bier und Multiboy

Dazu reichte man dem selbstbewussten Autofahrer eine nur durch das Durchhaltevermögen des Genießers begrenzte Anzahl "Aubi"-Flaschen, dem einzigen in der DDR hergestellten alkoholfreien "Autofahrer-Bier". Für all diejenigen, denen der Geschmack von Bier zu bitter erschien, gab es Sinello Cola-Sirup, der vorzugsweise mit Milch gemischt wurde. In der Küche half ein "Multiboy" genanntes Küchengerät Lebensmittel vielfältiger Art zu zerkleinern. Das Gerät war zu DDR-Zeiten jedoch nur schwer zu bekommen und wurde bis Ende der 80er-Jahre VEB Kombinat Elektromaschinenbau hergestellt. Wer hingegen auswärts speiste, erhielt nicht selten seine Mahlzeiten im Geschirr der Reihe "Rationell". Dieses Hotelgeschirr aus dem VEB Porzellanwerk Colditz wurde dabei speziell für die Speisewagen, Restaurants und Bistros der Gesellschaft "Mitropa" (Mitteleuropäische Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft) hergestellt.

"Bebo-Sher", "Eau de Cologne" und Waschmittel

Im Bad trockneten die Damen ihre Haare unter anderem mit einem stabförmigen Gerät der Marke "Aka electric", während sich die Männer mit dem "Bebo-Sher" den Bart frisierten. Letzter verdankt seine Bezeichnung einer illustren Kombination aus Herstellernamen und Produktmerkmalen: "Bergman Borsig  schnell hautschonend elektrisch rasiert". Vom Konsum Seifenwerk Riesa kam unterdessen "Eau de Cologne – eine Seife für Haushalt und Beruf". Diese wurde nicht selten auch dazu verwendet, um klebrige Kinderhände von Resten der "Plastilin"-Knetmasse zu befreien. Ging etwas auf den Pullover, half eine Ladung "Fewa"-Waschmittel, das bereits 1932 in der Chemnitzer Böhme-AG entwickelt wurde und als erstes vollsynthetische Waschmittel der Welt gilt. Sorgfältige Gärtner griffen indes der Natur mit dem Pflanzenhormon "Bi-Stecklingsbewurzelungspulver" unter die Arme. Das "Bi" steht dabei für den Hersteller, das VEB Chemiekombinat Bitterfeld. Das Pulver diente vor allem Pflanzen, die in einer bestimmten Gegend nicht heimisch waren dazu, besser und schneller Wurzeln zu bilden. Eine Überdosierung hatte jedoch den gegenteiligen Effekt.

JK


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