Thomas Förster

Historisch-politische Bildungsarbeit ist wichtig

Schmidt. Nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit in der Geschichtswerkstatt Nordeifel sehen Benedikt und Konrad Schöller den Staat in der Pflicht.
Historisch-politische Bildungsarbeit in einer geschichtsträchtigen Region leisten Benedikt (r.) und Konrad Schöller unter anderem in der Geschichtswerkstatt Nordeifel, die es seit zehn Jahren gibt.

Historisch-politische Bildungsarbeit in einer geschichtsträchtigen Region leisten Benedikt (r.) und Konrad Schöller unter anderem in der Geschichtswerkstatt Nordeifel, die es seit zehn Jahren gibt.

Nordeifel. Vor 10 Jahren gründeten Benedikt und Konrad Schöller die Geschichtswerkstatt Nordeifel. Der inhaltliche Fokus ihrer Arbeit lag zunächst auf verschiedensten regionalge-schichtlichen Themen. Recht bald verlagerte sich der Tätigkeitschwerpunkt auf die örtlichen Geschehnisse während der NS-Zeit. Für die Betreiber der Geschichtswerkstatt ist bei der Reflexion der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte eine multiperspektivische und zeitkritische Ausrichtung ein unbedingtes Muss.

Benedikt Schöller, Studiendirektor und Geschichtslehrer beim Erzbischöflichen St. An-gela-Gymnasium in Bad Münstereifel nimmt in letzter Zeit eine Veränderung der regionalen Erinnerungskultur zum Positiven wahr und verweist exemplarisch auf regionale Studien von F. A. Heinen zur Zwangsarbeit im Altkreis Schleiden und von Dr. Dieter Lenzen über Zwangsarbeit und zu Krankenmorden im Altkreis Monschau. Die Sowjetische Gräberstätte Rurberg habe sich mittlerweile zu einem Ort für historisch-politische Bildung entwickelt und der Hürtgenwaldmarsch einen nicht weniger beachtlichen Paradigmenwechsel zu einer ernstzunehmenden und seriösen Veranstaltung vollzogen. Ein im Zentrum von Nideggen errichtetes Mahnmal nehme alle Opfergruppen aus der NS-Zeit in den Blick und »Stolpersteine« seien in vielen Eifelkommunen inzwischen kein Fremdwort mehr. In Schmidt sei nach einer jahrelangen politischen Auseinandersetzung ein Denkmal mit zweifelhafter Inschrift entfernt worden. Und die Universität Osnabrück habe ein mehr-jähriges vom Landschaftsverband Rheinland gefördertes Forschungsprojekt zur »Konfliktlandschaft Hürtgenwald« erfolgreich abgeschlossen und umfangreiche Begleitbände veröffentlicht.

Friedensdenkmal

in Schmidt

Die Geschichtswerkstatt Eifel war in alle Projekte in unterschiedlichen Funktionen mit eingebunden. Den Fachbuch-Autoren zur Zwangsarbeit stellten die Schöllers über 500 Personalkarten von sowjetischen Kriegsgefangenen und für die Dauerausstellung auf der Gräberstätte Rurberg 222 Personalkarten mit Portraitaufnahmen zur Verfügung. Für die notwendige Überarbeitung der Friedhofsbroschüre steuerten sie ebenfalls Quellenmaterial bei. Als Kooperationspartner der Bundeswehr gestaltet die Ge-schichtswerkstatt durch wechselnde bildungspolitische Ausstellungs- und Vortragsprogramme die Neuausrichtung des Hürtgenwaldmarsches mit. Den Entstehungsprozess zum Mahnmal in Nideggen unterstützte sie mit Forschungsergebnissen zu ziviler Zwangsarbeit in diversen Stadtteilen. Am Forschungsvorhaben der Universität Osnabrück beteiligten sich Vater und Sohn mit Fachbeiträgen für eine Begleitpublikation. Ein Bürgerantrag Konrad Schöllers setzte die Diskussion im Rat der Stadt Nideggen um das sogenannte Schmidter Friedensdenkmal in Gang. Inzwischen ließ er einen zweiten Antrag folgen, in dem er für die Errichtung eines Mahnmals für alle NS-Opfer in Schmidt plädiert. Benedikt Schöller entwickelte im Auftrag des Volksbunds Kriegsgräberfürsorge e.V. ein spezielles Unterrichtskonzept, das in der Handreichung »Wege zum Frieden« erscheinen wird. Bei der Fachtagung »Frieden will gelernt sein - Friedensschlüsse und Kriegsfolgen« im März wird er das Konzept im Dietrich-Keuning-Haus in Dortmund vorstellen.

Erinnerungskultur weiter wandeln

Gleichwohl ist es nach Auffassung der Schöllers bislang nur in Ansätzen gelungen, das Kernproblem der Erinnerungslandschaft Hürtgenwald zu lösen, nämlich das öffentliche Erinnern an die Kampfeshandlungen im Kriegswinter 1944/45 zu kontextualisieren und entmythologisieren. Dass fast 80 Jahre später die Rolle die Wehrmacht von vielen noch immer nicht kritisch hinterfragt und militärische Handlungen vielfach zu Heldentaten stilisiert würden, zeuge von einem bedenklichen Geschichtsverständnis. In zwei Abhandlungen, die in der Broschüre zum 39. Hürtgenwaldmarsch bzw. im Begleitband zum Erinnerungsprojekt »Zwischen Führer und Freiheit - Bombenkrieg und Befreiung an der Rur« erschienen sind, nennen die Schöllers konkrete Beispiele. Die Nordeifel brauche eine personell und sachlich gut ausgestattete Institution zur historisch-politischen Bildung, die nach modernen wissenschaftlichen Methoden arbeite und den Ursachen des Kriegsgeschehens auf den Grund ginge. Hier sehen die Betreiber der Ge-schichtswerkstatt vor allem die öffentliche Hand in der Pflicht. Die finanzielle Dimension notwendiger Standards bringe zivilgesellschaftliches Engagement an seine Gren-zen.

Auf Bundes- und Länderebene ausgerechnet Gelder für Demokratiearbeit und politische Bildung massiv zu kürzen, halten Benedikt und Konrad Schöller für einen Schritt in die falsche Richtung. Es entmutigt sie dennoch nicht, sich auch weiterhin ehrenamtlich für eine offene und demokratische Gesellschaft einsetzen.

www.geschichtswerkstatt-nordeifel.com


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