Kampf um das Herzstück der Eifelklinik

»Das Wohl von werdenden Müttern und ihren Kindern steht uns über allem.« Kathrin Weinert, bis vor kurzem Beleghebamme in der Eifelklinik, stellt klar, warum sie und ihre Kolleginnen die Reißleine ziehen mussten.

»Wir konnten einfach nicht mehr so weiter machen. Wäre ein Kind oder eine Mutter zu Schaden gekommen, das hätte ich mir nie verzeihen können.« Diese Sorge teilt Kathrin Weinert mit ihren Kolleginnen. Seit zwei Jahren habe man immer wieder die Verantwortlichen der Geburtshilfe und Klinikleitung auf die arbeitsüberlastende Situation der Beleghebammen hingewiesen. »Aber wir haben kein Gehör gefunden.« Über 300 Geburten und eine 24-Stunden-Rufbereitschaft mit vier Hebammen zu stemmen, sei einfach unverantwortlich.

Geburtshilfe schließt zum 1. Juli

»Nachdem auch unter Einbeziehung potentieller neuer Kolleginnen kein lückenloser Dienstplan aufgestellt werden konnte, werden wir die Geburtshilfe nun ab Juli abmelden müssen«, führt Eifelklinik-Geschäftsführer Dr. Benjamin Behar aus. Man habe fieberhaft um den Erhalt gekämpft, sei aber in einem letzten Gespräch mit den Hebammen gescheitert »Den werdenden Müttern, die die Geburt ihres Kindes bereits in der Eifelklinik angemeldet haben, stehen wir mit allen verbleibenden Mitteln zur Seite.« Von 13 Bewerberinnen war zwischenzeitlich die Rede, lediglich zwei waren zum Gespräch gekommen. Svenja Berger kennt den Grund: »Uns wurde keinerlei Konzept vorgelegt, wie ein neues Schichtsystem aussehen könnte. Zum Gehalt wurden sich keine Gedanken gemacht. Wer wechselt denn dann dorthin?« fragt sich die Hebamme, die aktuell in Elternzeit ist. »Ich wäre alleine aus dem Grund gekommen, um die Geburtshilfe zu erhalten. Denn wenn sie einmal zu ist, wird niemand mehr kommen, der sie wieder öffnet«, befürchtet die Mutter aus Steckenborn. »Wir brauchen maximal 12-Stunden-Dienste und nicht wie aktuell Bereitschaften von 24 bis 96 Stunden«, erklärt Andrea Victor. Dafür seien mindestens acht Hebammen nötig. Und auch die immense Haftpflichtversicherung müsse von Hebammen und Krankenhaus geschultert werden. »Wenn Gesellschaft und Politik nicht mehr Wert auf die Geburt legen und ihr einen höheren Stellenwert einräumen, leiden Mütter und Kinder mittelfristig unter mangelnder Betreuung.«

Kurzfristig oder überraschend war das nicht

»Die Kündigung des Rufbereitschaftsdienstes für drei der freiberuflich tätigen Hebammen an der Eifelklinik St. Brigida war keineswegs spontan überlegt, sondern eine Folge vieler erfolgloser Versuche, ihre Arbeitssituation zu verbessern.« Andrea Victor, Beleghebamme aus Imgenbroich, wehrt sich gegen die Vorwürfe, die von Seiten der Eifelklinik, aber auch teilweise aus der Bevölkerung kommen.
Man sei die Verpflichtung zur Rufbereitschaft eingegangen, um die geburtshilfliche Abteilung in der Eifelklinik zu erhalten. Und das für 2,50 Euro pro Stunde. »Aber ums Geld geht es hier gar nicht«, stellt Laura Graf, Hebamme aus Konzen, klar. »Das System krankt und muss dringend geändert werden.« Eine Geburtshilfe einzig mit Beleghebammen zu führen, sei nicht mehr zeitgemäß. Und wenn sie und ihre Kolleginnen zwei Menschenleben gefährdet sehen, weil man dauerhaft überlastet sei, dann sei die Kündigung ein Hilferuf, eine verantwortungsvolle Konsequenz und kein Herausstehlen aus der Verantwortung. 2008 waren noch acht Hebammen an St. Brigida tätig, seit 2013 sind es noch vier. »Und seither ist die Zahl der Geburten von 225 auf über 300 gestiegen«, weiß Andrea Victor. Das freue jede Hebamme, denn dafür habe man diesen Beruf gewählt. Aber die erfreuliche Entwicklung könne nicht zulasten der Hebammen erfolgen. »Wir sagen niemals nie«, erklären die vier Frauen, die die werdenden Mütter, die sich ihnen anvertrauen, weiter in der Vor- und Nachsorge betreuen. Denn: »Aus unserer Sicht wäre ein Fortbestand der Simmerather Geburtshilfe möglich gewesen.«

Nicht tatenlos zusehen - Frauen-Aktionsbündnis

»Die Eifelklinik ist und bleibt die wichtigste Einrichtung in der Nordeifel. Und mit der Geburtshilfe steht ihr Herzstück vor dem Aus«, stellt Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns klar. Diese »traurige Entwicklung für das Krankenhaus, werdende Mütter und ihre Kinder, ja für die ganze Region, werde ich nicht tatenlos hinnehmen«, versichert Hermanns, der in den letzten Tagen viele Gespräche mit Betroffenen geführt hat. Daher hat er zur Sondersitzung des Gemeinderates geladen. 2008 waren der damalige Kreis Aachen und die drei Nordeifel-Kommunen mit 250.000 Euro jährlich in die Bresche gesprungen.
Kurt Schmitz, zweiter Vorsitzender der »Freunde und Förderer der Eifelklinik St. Brigida Simmerath e.V.« erklärt indes: »Die angekündigte Schließung der Geburtshilfe in der Eifelklinik St. Brigida ist auch für den Förderverein unseres Krankenhauses schwer nachvollziehbar. War und ist doch gerade die ortsnahe Geburtshilfe neben der medizinischen Versorgung ein besonderes, notwendiges Bedürfnis der Eifeler Bevölkerung.« Dafür hätten sie vor zehn Jahren sehr beeindruckend und erfolgreich demonstriert. Durch enorme Investitionen der Artemed, auch in die Geburtshilfe-Station und eine hohe medizinische  Fachkompetenz, konnte das Ansehen der Klinik in der Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert erlangen. Schmitz: »Dies sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden.«

Frauen kämpfen

Am Dienstagabend hat sich ein Frauen-Aktionsbündnis zum Erhalt der Geburtshilfe in der Eifelklinik gegründet. Dieses unterstützt die Beleghebammen und fordert den Fortbestand der Geburtshilfe und die Aufstockung der Beleghebammen auf mindestens acht Hebammen. Die Beleghebammen haben sich dem Frauen-Aktionsbündnis angeschlossen. Ebenfalls dabei sind das Sozialwerk Eifeler Christen, die Frauenseelsorge im Bistum Aachen, die Eifeler Landfrauen, die CDU Frauenunion Nordeifel, die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Nordeifel, die Ortsvorsteherinnen aus Monschau, Strauch und Rohren, Mütter und Frauen aus Simmerath und Monschau, Frauen der Stadt- und Gemeinderäte Monschau und Simmerath sowie die zuständige Dezernentin der Städteregion Aachen.

Klinikleitung und Hebammen eingeladen

Zur Sondersitzung des Gemeinderates am Mittwoch, 13. Juni, um 18.30 Uhr werden Eifelklinik-Geschäftsführer Dr. Benjamin Behar und Dr. Andreas Cousin, Leiter der Geburtshilfe, erwartet.
Auch die betroffenen Hebammen wurden von Bürgermeister Hermanns eingeladen.
Hermanns möchte der Politik die Möglichkeit geben,  die aktuelle Situation aus erster Hand zu erfahren und sich in die Lösungsfindung einzubringen.
Die Sondersitzung ist öffentlich.


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