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Jan Kreller

Ein Amt, drei Kandidaten

Am Sonntag, 23. Januar, wählen die Bürger der Verbandsgemeinde (VG) Bitburger Land einen neuen Bürgermeister. Amtsinhaber Josef Junk (SPD) tritt altersbedingt nicht mehr an. Wir haben den Kandidaten auf den Zahn gefühlt.

Ihre Hüte in den Ring geworfen haben Janine Fischer (parteilos) aus Wolsfeld, Thomas Bartels (CDU) aus Mauel bei Waxweiler und Dr. Christian Gayoso (SPD) aus Bitburg.

Als VG-Bürgermeister:in sind Sie für mehr als 25.000 Bürger politisch verantwortlich. Womit überzeugen Sie die Wähler?

 
Fischer: »Ich bin unabhängig, da ich keiner Partei angehöre und kann gleichermaßen für alle Interessen einstehen. Außerdem kenne ich die Anforderungen an eine VG seit Beginn meines beruflichen Werdegangs vor über zehn Jahren und leite aktuell das Sachgebiet Organisation und Personal. Darüber hinaus bin ich als Juristin in der Lage, die rechtlichen Vorgaben für die VG und unsere Gemeinden praktikabel umzusetzen und kenne als Ortbürgermeisterin auch die Situationen, in denen unkonventionelle Problemlösungen gefragt sind.«
Barthel: »Ich habe in den vergangenen Monaten im Rahmen von ‚Zesoomen opp Tour‘ alle Gemeinden der VG besucht und persönlich bei den Menschen an den Haustüren geklingelt, um mich vorzustellen und zu hören, wo der Schuh vor Ort drückt. Der enge Kontakt zu den Menschen ist aus meiner Sicht entscheidend. Mit mir als Bürgermeister wird es einen kurzen Draht in die Verwaltung geben. Darüber hinaus bin ich fachlich als Volljurist mit Studium an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer und als stellvertretender Leiter eines Finanzamtes mit Fusionshintergrund bestens für das Amt gerüstet. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen und kenne durch die vielen Gespräche vor Ort die Probleme unserer Gemeinden. Ich bringe für einen echten Generationenwechsel den nötigen Schwung und den Mut mit, die Themen der Zukunft offen, strukturiert und neutral anzugehen.«
Gayoso: »Bitburg und die Eifel sind meine Heimat, aber ich habe Erfahrungen und Ideen im In- und Ausland gesammelt. Ich will diese Erfahrungen, das Wissen und die Ideen aus meinem jetzigen Job in die Aufgabe als VG-Bürgermeister einbringen. Um fit für die Zukunft zu sein, müssen wir auch neue Wege gehen und innovative Konzepte ausprobieren. Seit elf Jahren bin ich im Auswärtigen Amt, also einem Bundesministerium, und bringe die entsprechende Verwaltungserfahrung mit. Und schließlich sind meine jetzigen Aufgaben in der Botschaft mitunter gar nicht so anders als die eines Bürgermeisters: So begleite ich gerade den Neubau der Deutschen Schule in Oslo und bin vor Ort Ansprechpartner für deutsche Unternehmen.«
 

Was sind die drei dringlichsten »Baustellen« in der VG?

 
Fischer: «Wichtigste Baustelle ist für mich die VG als solche – dass sie als Dienstleister für Bürger, Gemeinden und Ehrenamtliche einsteht und hierzu wieder die erforderliche Kraft erhält. Dazu muss stark auf das Wohlergehen der Mitarbeiter geachtet werden. Dann ist mir aufgrund der hohen Nachfrage nach Bauflächen in unserer VG die Infrastruktur wichtig. Wir brauchen ein gesundes Wohn- und Arbeitsumfeld. Parallel müssen wir an die Innenentwicklung denken, sinnvolle Nutzung von Baulücken in den Dorfkernen und die Menschen ermutigen, die hiesige Baukultur zu schützen. Gleichzeitig müssen wir an Kindergärten, Schulen, medizinische Versorgung, Einzelhandel und Wohnen im Alter denken. Die dritte Baustelle ist in meinen Augen der Klimawandel. Hier sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen, was unter Anderem Energieerzeugung und Mobilität angeht und klare Ziele benennen, die wir auch an die Gemeinden weitergeben und dann mit ihnen gemeinsam umsetzen.«
Barthel: »Der Ausbau und die Erweiterung der Kindertagesstätten stellen unsere Gemeinden vor große Herausforderungen. Die ehrenamtlichen Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister, die Gemeinderäte und die Eltern können sich hierbei einer nachhaltigen und starken Unterstützung durch die Verwaltung sicher sein. Den gleichen Stellenwert hat aus meiner Sicht die Ausstattung unserer Grundschulen. Mit der Digitalisierung und dem Klimaschutz haben wir weitere wichtige Bausteine für die Zukunftsfähigkeit unserer VG. Mit einer kreativen Klimaschutzstrategie gilt es, Projekte und Ideen zu entwickeln und umzusetzen, damit wir im Bitburger Land unseren Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten.«
Gayoso: «Ich möchte im Bitburger Land Ökologie und Ökonomie stärker in Einklang bringen: Dazu gehören Themen wie erneuerbare Energien oder der Ausbau eines sanften Tourismus. Die VG hat große Chancen, zukunftsträchtige Arbeitsplätze anzuziehen, damit junge Leute zu binden und attraktiv für Zuzügler zu sein. Dazu gehören auch gute Schulen, die renoviert werden müssen, wo nötig. Um diese Themen zu gestalten, braucht es eine moderne, schlagkräftige Verwaltung, die sich als Dienstleister für die Ortsgemeinden und die Bürgerinnen und Bürger versteht.«
 

Die Stärkung des ländlichen Raumes ist notwendig, um beispielsweise der Landflucht entgegenzuwirken und Fachkräfte zu halten. Wie kann dies aus Ihrer Sicht gelingen?

 
Fischer: »Bei der Betrachtung der gesamten VG können wir nicht von einer generellen Landflucht sprechen. Klar ist aber, dass wir den Wünschen unserer Bürger nach Möglichkeiten entsprechen müssen! Fast alle Gemeinden haben im Rahmen vom Zukunfts-Check Dorf erfahren, was ihre Bürger heute im ländlichen Bereich erwarten, aber es haben nicht alle Gemeinden aufgrund ihrer Lage oder ihrer Größe die gleichen Möglichkeiten zur Entwicklung. So unterschiedlich die Anforderungen an die Gemeinden sind, so flexibel muss auch die VG bei der Umsetzung helfen können. Ganz klar gehören weitere Forstschritte in der Breitbandversorgung und Digitalisierung, aber auch im Nahverkehr dazu. Hiervon profitieren bei Weitem nicht nur Privatpersonen, sondern gerade auch unsere Unternehmen und die Tourismusbranche. Diese beiden Säulen sind wichtige Faktoren, um Arbeitsplätze in den Gemeinden zu sichern. Und funktionierende Betrieben vor Ort und gesunde Gastronomie sind natürlich für alle Bürger von großer Bedeutung.«
Barthel: »Die Vernetzung der Angebote von gut ausgestatteten Kindertagesstätten und Grundschulen hat für jungen Familien einen hohen Stellenwert und trägt ganz maßgeblich zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Der bedarfsgerechte Ausbau der Kindertagesstätten und die Schaffung guter und zeitgemäßer Lernbedingungen an unseren Grundschulen sind daher für die kommenden Jahre zentrale Herausforderungen für die Verbandsgemeinde und die Gemeinden. Dazu gehört ebenso der weitere Ausbau der Nachmittagsbetreuung an unseren Grundschulen in Kooperation mit den Schulfördervereinen. Abgerundet werden diese familiennahen Angebote durch eine gute Breitbandversorgung als wichtiger Standortfaktor für junge Familien. Letztlich sind auch preislich erschwingliche Baustellen wichtig für junge Familien. Die Verbandsgemeinde muss daher die Gemeinden bei der Ausweisung von neuen Baugebieten ebenso unterstützen wie bei der Umnutzung alter Bausubstanz in den Ortskernen im Rahmen der Dorferneuerung.«
Gayoso: »Gerade durch die Coronakrise sind vielen Menschen die Vorteile des Lebens im ländlichen Raum deutlich geworden. Zusammen mit dem Trend zum Homeoffice ist das eine echte Chance für das Bitburger Land. Die Unternehmen in der Region brauchen Zuzug, um Arbeitskräfte zu gewinnen. Gleichzeitig müssen wir offen sein für neue Konzepte, z.B. im Bereich Wohnen oder Mobilität, um für Jung und Alt attraktiv zu sein. Carsharing auf dem Dorf kann ein solches Konzept sein. Das wird in anderen Regionen bereits erfolgreich praktiziert, warum nicht auch bei uns? Und: Je besser die Nahversorgung, desto attraktiver ist der Ort. Die dörflichen Strukturen müssen mit aller Kraft unterstützt werden. Ohne Vereine und Ehrenamtliche wären die Dörfer ärmer und weniger attraktiv.«
 

Verwaltungen setzen zumeist noch auf Präsenz und Papier, was insbesondere im ländlichen Raum mit Fahrzeit verbunden ist und Ressourcen verbraucht. Wie stehen Sie zur »papierfreien« Behörde und digitaler Verwaltung?

 
Fischer: «Ich erlebe in dieser Hinsicht natürlich in meinem Beruf bereits jetzt die Vorteile, die wir uns vom Onlinezugangsgesetz in Zukunft flächendeckend erhoffen. Schon während der Corona-Pandemie war es wichtig, dass wir uns häufig zumindest per Videokonferenz begegnen konnten. Eine digitale Verwaltung ist daher nicht unpersönlich. Sie bringt uns die Vorteile, die wir im Alltag schon in anderen Bereichen nutzen, bei digitalen Einkäufen, Bankgeschäften und Ähnlichem – das lässt sich benutzerfreundlich auf verwaltungsbezogene Dienstleistungen ausweiten. Für die Bürger ergibt sich zudem der Vorteil, dass viele Anträge und Formulare weniger fehleranfällig sind und man insoweit bereits Ausfüllhilfen erhält. Eine digitale Verwaltung spart Ressourcen auf beiden Seiten der Anwendung. Vollständig papierfrei sehe ich hingegen die Verwaltung nicht und völlig klar ist für mich auch, dass es immer Anliegen gibt, die sich besser im persönlichen Gespräch klären lassen.«
Barthel: »Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine Verwaltung, mit der sie einfach kommunizieren können und unbürokratisch die Hilfestellung oder Dienstleistung bekommen, die sie brauchen. Technologisch ist es längst möglich, Verwaltungsangelegenheiten zu jeder Tages- und Nachtzeit online zu erledigen und auf zeitraubende Behördengänge zu verzichten. Ein modernes Datenmanagementsystem ermöglicht die papierlose Verwaltung und spart Wege für alle Bürgerinnen und Bürger. In diesem Bereich möchte ich die Verwaltung nachhaltig voranbringen. Wichtig ist es aus meiner Sicht aber auch, dass man die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt und einbindet. Denn es sollte keine Digitalisierung um der Digitalisierung Willen geben, es muss am Ende immer ein Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger und das Ehrenamt entstehen.«
Gayoso: Wir müssen möglichst viele Dienstleistungen im virtuellen Rathaus anbieten, damit das meiste übers Internet erledigt werden kann. Der Gang auf´s Amt soll die Ausnahmen werden. In Norwegen erlebe ich gerade aus erster Hand, wie sehr Digitalisierung den Alltag vereinfacht. Das Onlinezugangsgesetz in Deutschland verpflichtet dazu, dass bis Ende 2022 viele Dienstleistungen digital angeboten werden müssen. Das will ich auch für das Bitburger Land.«
 

Thema Energiewende: Die neue Bundesregierung hält am Atom- und Kohleausstieg fest und setzt u.a. auf Windenergie. Wie stehen Sie dazu und wie sehen Sie die Situation in der VG?

 
Fischer: »Die Zukunft gehört ganz klar den erneuerbaren Energien, auch wenn es vorerst noch Übergangslösungen geben muss. In diesem Zusammenhang ist die Genehmigung des Flächennutzungsplanes der VG für die Windenergie ein wichtiger Meilenstein. Fortan sind die Vorgaben klar und nachvollziehbar für Bürger, Gemeinden und Projektierer. Es geht jetzt darum, dass wir die Vorteile der regenerativen Energiegewinnung für die Landbevölkerung und unsere Gemeinden vor Ort erhalten. Hier kann die VG bei der Vertragsgestaltung einwirken und dafür sorgen, dass die Verdienste auch im Bitburger Land bleiben und stärker als bisher solidarisch verteilt werden.«
Barthel: »Der Klimawandel ist ein Fakt und der Klimaschutz fängt vor Ort an. Hier muss die Verbandsgemeinde mit guten Beispiel vorangehen! Ziel muss es sein, alle Möglichkeiten sowohl für die Energieeinsparung als auch für die Energiegewinnung zu identifizieren, um dann auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sachgerechte Lösungen zu entwickeln. Ein effizientes Energiemonitoring und -management, LED-Umrüstungen, PV-Dachanlagen auf öffentlichen Gebäuden, energetische Sanierungen sind nur einige Beispiele, die wir uns zeitnah vornehmen und mit einem innovativen Gebäudemanagement umsetzen müssen.«
Gayoso: «Wir müssen auf allen Ebenen unseren Beitrag dazu leisten, den Klimawandel aufzuhalten. Dazu gehört die grundsätzliche Offenheit für erneuerbare Energien, die den Gemeinden übrigens auch noch zusätzliche Einnahmen bringen. Mit dem jüngst verabschiedeten Windkraft-Flächennutzungsplan ist im Bitburger Land klar geregelt, wo Anlage entstehen können. Auch Photovoltaik sollen wir da, wo es sinnvoll und möglich ist, einsetzen. Deswegen begrüße ich es, dass die VG in Kürze auch für die PV klare Regeln aufstellen wird. Zudem wird in Zusammenarbeit mit dem Kreis ein Klimaschutzkonzept für die VG entwickelt, das wir anschließend umsetzen müssen.«
 

Das ehrenamtliche Engagement in der VG hat gerade bei der Flutkatastrophe einen beeindruckenden Zusammenhalt gezeigt. Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie fehlt es vielen Vereinen an Einnahmen und an möglichen Aktivitäten. Wie wollen Sie konkret das ehrenamtliche Engagement in der VG stärken?

 
Fischer: »Wie wichtig das ehrenamtliche Engagement für die Gesellschaft gerade in außergewöhnlichen Notsituationen ist, haben wir in den Tagen der Flutkatastrophe in unseren Gemeinden erlebt und es kann daher gar nicht genug gewürdigt werden. Feuerwehr und Nothilfe, Kulturbetriebe, Nachbarschaftshilfe, Seniorengruppen, Umweltschutz etc. sind stark auf Ehrenamtler angewiesen und es ist wichtig, dass wir als Verbandsgemeinde unsere Wertschätzung spürbar machen. Wir dürfen die Vereine nicht mit komplizierter Bürokratie belasten, sondern müssen auch in diesem Bereich Dienstleister sein. Hierzu gehört für mich, dass wir bei der Suche nach Fördermöglichkeiten beraten und dem Ehrenamt ein Netzwerk innerhalb der VG zur Verfügung stellen. Hauptamt hilft Ehrenamt, das ist eine sehr gute Kombination!«
Barthel: »Ich stand kürzlich mit Vereinsvertreterinnen und Vereinsvertretern aus der gesamten Verbandsgemeinde im Dialog. Hier wurde deutlich: Die Ehrenamtlichen wünschen sich einen kurzen Draht in die Verwaltung, um für die jeweiligen Themen schnelle und unbürokratische Hilfe zu erhalten. Hierfür stehe ich ein. Es geht darum, zu unterstützen und Kontakte herzustellen. Ich verstehe mich als Türöffner für das Ehrenamt und werde für die Belange unserer Ehrenamtlichen jederzeit ein offenes Ohr haben. Dazu gehört auch die Präsenz bei Veranstaltungen vor Ort.«
Gayoso: »Die Solidarität und das Engagement rund um die Hochwasserkatastrophe war wirklich außergewöhnlich. Aber die Ehrenamtlichen verdienen auch ganz grundsätzlich unseren Dank und Anerkennung. Ohne ihr Engagement wäre vieles in den Dörfern gar nicht mehr denkbar. Es soll auch in Zukunft weiter Freude machen, sich vor Ort einzubringen. Deswegen will ich eine serviceorientierte Verwaltung, die die Ehrenamtlichen unterstützt und überflüssige Bürokratie vermeidet.«


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