Edith Billigmann

Comeback auf drei Beinen

Region (edi). Nach Krebserkrankung und Amputation findet die Ex-Profi-Golferin Caroline Mohr zu alter Stärle zurück. Heute verhilft sie als Speaker und Mindest-Coach anderen Menschen zu Resilienz.

Das schwere Erdbeben in Neuseeland hat Caroline Mohr vor 12 Jahren ganz knapp und mit viel Glück überlebt. Doch nur drei Wochen später ereilt sie ein Schicksalsschlag, der ihr Leben auf den Kopf stellen wird: Nach der Diagnose "aggressiver Knochenkrebs" verbleiben ihr nur wenige Wochen, um sich auf die bevorstehende Beinamputation einzustellen. Für die damals 22-jährige Profi-Golferin bricht eine Welt zusammen. Ihre bis dahin steile Karriere scheint beendet. Doch fünf Tage nach der OP sieht sie in der Reha einen Golf-Schläger, nimmt ihn in die Hand und weiß plötzlich ganz genau, was sie will: in zweieinhalb Monaten ein Golf-Turnier spielen. Tatsächlich gelingt ihr das: Im Team mit ihrer Schwester Louise schafft sie ein sensationelles Comeback bei den schwedischen Meisterschaften. "Ich habe keine Schwierigkeiten gesehen, nur Möglichkeiten", fasst Caroline die damalige Situation zusammen.

"Wir haben in Schweden als bestes Team auf drei Beinen gespielt. Es war das beste Golf in meinem Leben."

Dieses Wissen um ihre mentale Stärke gibt sie mittlerweile als Motivationstrainerin und Speaker an Menschen weiter, die Auswege aus schwierigen Situationen suchen. Dass sie ihre Resilienz dem Golf-Sport verdankt, dessen ist sich die gebürtige Schwedin, die seit acht Jahren in Trier wohnt, bewusst. Dadurch habe sie Disziplin und die Konzentration aufs Wesentliche gelernt, erzählt sie und schwärmt von der auf sie nahezu perfekt zugeschnittenen Sportart, mit der sie anfangs eher Abneigung als Liebe verband.


ES BEGANN MIT EINEM EIS

Ihr Vater hatte sie mit einem Eis zum Golfplatz gelockt. Da dachte die damals 8-Jährige noch: "Das ist doch nur was für alte Männer." Doch mit der Zeit merkt sie, dass sie beim Golfen selbstbestimmt und eigenverantwortlich spielen kann. Kein Coach, der ihr Vorschriften macht und sie ggf. auf die Bank verweist. Mit 13 fasst Caroline den Entschluss, Profi-Golferin zu werden, mit 16 wechselt sie auf das schwedische Sportgymnasium "Åtvidaberg". Und mit 22 Jahren ist sie soweit, dass sie die offizielle Berechtigung erhält, als Profi-Golferin auf Tour zu gehen.


SCHICKSALSSCHLÄGE

Um Erfahrungen zu sammeln, begleitet sie ihre Schwester Louise zur Ladies European Tour nach Neuseeland. Drei Tage nach dem Turnier besuchen sie die Innenstadt von Christchurch und kehren erst einmal in ein Restaurant ein. Dort kündigt sich das bis dahin seit 80 Jahren schwerste Erdbeben in der Geschichte Neuseelands an, bei dem fast 200 Menschen zu Tode ko men. 72 Nachbeben innerhalb der folgenden 24 Stunden machen ein Ausfliegen aus der Gefahrenzone unmöglich. Als sie schließlich die Heimat erreichen, ereilt Caroline schon der nächste Schicksalsschlag: Sie klagt über eine bleierne Müdigkeit und Schmerzen im Knie. Als sie schließlich ihren Arzt aufsucht, entdeckt er ein Grapefruit großes Geschwulst in der Kniebeuge, das sich als aggressiver Knochenkrebs herausstellt, der sich weder mit Chemotherapie noch mit Bestrahlung behandeln lässt.


LEBEN ODER BEIN

"Auf den Punkt gebracht, war es eine Entscheidung zwischen Leben oder Bein", beschreibt Caroline den Zwiespalt und ihre Verzweiflung. "Ich war 22 Jahre alt, Elite-Athletin und Golf-Profi, habe hart trainiert und mich ultragesund ernährt - und plötzlich sollte alles vorbei sein." Nach Tagen tiefster Depression stellt sie sich die entscheidende Frage: "Was will ich?" Und sie findet Antworten: "...ein Wasserglas tragen, Golf spielen, reisen, tanzen, in hohen Schuhen gehen, Fahrradfahren." Fieberhaft beginnt sie zu recherchieren, informiert sich über Prothesen, lernt Menschen kennen, die vom Schicksal gezeichnet sind und ihr Leben komplett verändert haben. Es entstehen wertvolle Freundschaften und die Erkenntnis, dass auch sie es schaffen wird, so zu leben, wie sie es möchte: "Ich bin ja dieselbe Person geblieben, musste nur heraus- finden, wie ich mit meinem Handicap arbeiten kann."

Dass sie sich so verwirklichen konnte, verdankt Caroline vielen Zufällen, dem Golfsport und einem enormen Glück. Denn sechs Monate nach der Amputation erhält sie einen wichtigen Anruf und die seltene Möglichkeit, eine Prothese mit neuer Mechanik für drei Monate zu testen. Für die junge Frau wird ein Traum wahr, denn die Prothese ermöglicht es ihr, weiter professionell zu golfen. Und tatsächlich geht sie bis 2016 auf die schwedische Profi-Tour, spielt auch bei der Schwedischen Schwerbehinderten-Tour. Bei den Einzeleuropameisterschaften 2012 und 2014 holt sie die begehrten Siegertrophäen.


GANZ VIEL TÄUME . . .

Doch nicht nur diesen Traum hat sie sich erfüllt. Den Golf- Sport hat sie mittlerweile an den Nagel gehängt. Seitdem konzentriert sie sich beruflich auf das, was sie am besten kann: als Speaker und Mindset-Coach Menschen motivieren und begleiten. Seit 2015 ist sie weltweit unterwegs, hat 14 Länder bereist und vor über Hunderten von Organisationen gesprochen, die alle die eine Frage bewegt: "Wie kann man mit Schicksalsschlägen umgehen, wenn sich plötzlich alles verändert? Wie kann ich meine Stärke, meine Akzeptanz behalten und gleichzeitig etwas Gutes daraus machen?" Als Mindset-Coach und Spea- ker, zudem ausgebildet im Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP), erklärt sie Methoden und Kommunikationstechniken, mit denen sich psychische Abläufe im Menschen beeinflussen lassen.

"Ich spreche über Lebenserfahrungen und Veränderungen und helfe Menschen, resilient zu werden", fasst sie ihre Motivation zusammen. Darüber hinaus ist sie Botschafterin für zwei Stiftungen: "Star For Life" bietet in 120 Schulen in Südafrika ein Bildungsprogramm zum Thema "Träume" an. Diese Stiftung ist seit letztem Jahr auch in Deutschland registriert. Außerdem sponsert Caroline ihre eigene Grundschule in Südafrika, die jedes Jahr 500 Kindern Bildung ermöglicht. (https://starforlife.org/de)

Ebenso ünterstützt sie die Stiftung der monegassischen Fürstin Charlène, die zur Vermeidung von Todesfällen durch Ertrinken ein Frühschwimm-Programm für Kinder in Afrika initiiert hat. Ein ganz besonderer Traum ist für sie und Ehemann Christoph Etges 2021 mit der Geburt ihrer Tochter Christine in Erfüllung gegangen. Und die Verwirklichung des nächsten großen Traums ist bereits in greifbare Nähe gerückt: Denn Caroline wird ihre ganz persönliche Geschichte in einem Buch mit dem Titel "In 504 Stunden" festhalten, das im nächsten Jahr in Schweden erscheinen wird. "Die Veröffentlichung auf Deutsch ist dann mein nächster Traum", lacht sie glücklich.

https://carolinemohr.eu/de   


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