Sybille Schönhofen (bil)
Die Zeichen stehen auf Abschied
Es tut sich was am so genannten "Dreiser Haus", dessen Schicksal seit Anfang des Jahres im Fokus der Öffentlichkeit steht (wir berichteten). Im Januar hatten Bitburger Persönlichkeiten erstmals laut befürchtet, dass dem Altbau in der Dauner Straße der Abriss drohe, und wiesen auf dessen Bedeutung hin. Es stehe zwar nicht unter Denkmalschutz, einen Wert besitze es dennoch. Erstens ist es das Elternhaus der Heimatschriftstellerin Gerda Dreiser und zweitens eins der wenigen historischen Zeugnisse handwerklicher Baukunst, das noch in der Stadt übrig geblieben ist. Das Meiste viel dem Krieg zum Opfer, der Rest der Ignoranz.
Bitburgs Bausünden
Im Stadtrat gebe es nur wenige, die sich für den Erhalt historischer Bausubstanz einsetzten, bedauert Architekturprofessorin und Stadträtin Marie-Luise Niewodniczanska. Sie bekräftigt erneut, dass ein Abriss des Dreiser Hauses ein großer Verlust wäre für eine Stadt, in der es kaum noch Altes gibt. "Wenn ich Besuchern die Stadt zeige, schäme ich mich", sagt sie. Schuld seien die vielen modernen "Bausünden". Umso mehr schmerze es, wenn diese weiterhin historische Gebäude ersetzten. Die Stadrätin rechnet fest damit, dass der Abriss des Dreiser Hauses begonnen hat. In ihren Augen ein Wertverlust. Das Gebäude stammt immerhin aus dem Jahr 1907. Erbauer war der Bildhauer Wilhelm Dreiser, der die Fassade mit mehreren Sandsteinplaketten verziert hat. Eine, die des Heiligen Josef, ist bereits rausgebrochen worden. Gleichzeitig ist Anfang Juli ein Sandsteinblock am Treppenaufgang verschwunden, auf ihm waren der Spruch "Gott segne die Arbeit", darüber ein Wappen und ein Steinmetzsymbol eingemeißelt. Wer dafür verantwortlich ist und ob das auf weitere Abbrucharbeiten hindeutet, bleibt unbeantwortet. Johannes Arend, Geschäftsführer der Arend Immobilien GmbH, dem das Haus seit ein paar Jahren gehört, möchte sich der Presse gegenüber nicht dazu äußern. Eine Nachfrage bei der Stadt ergibt auch keinen Aufschluss.Genehmigung nicht nötig
Aber so viel ist klar: Ein Abriss bedarf keiner Genehmigung, da es sich bei dem Gebäude nicht um ein Hochhaus handelt und das Haus auch nicht unter Denkmalschutz steht. So regelt es der Paragraph 62 der Landesbauordnung. Der Leiter des Bitburger Bauamts, Berthold Steffes, schätzt, dass der Abriss vorbereitet werde, da Arend kein Interesse an einer Sanierung geäußert habe und auch sein Angebot, das Haus zu verkaufen, nicht auf fruchtbaren Boden gefallen sei. Eine Baugenehmigung für einen Neubau anstelle des Dreiser Hauses hat Arend jedenfalls noch nicht beantragt, heißt es aus dem Rathaus. Die Stadt will sich künftig mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes für den betreffenden Straßenzug beschäftigen. Sven Dreiser, Großneffe von Bitburgs Ikone Gerda Dreiser, der das Haus gerne kaufen würde, aber nicht über die Mittel verfügt, wendet sich an die Öffentlichkeit. "Was ist aus den Überlegungen zum Erhalt des Hauses geworden?", fragt er in der Hoffnung, dass sich noch ein Käufer findet. Dreiser denkt an die Stadt, die das Gebäude als Archiv, Bibliothek, Heimatmuseum oder für einen anderen kulturellen Zweck nutzen könnte."Es tut sehr weh"
Franziska Walter, eine der Töchter des Bildhauers und Erbauers des Hauses, hatte Johannes Arend gebeten, ihm die Reliefs abkaufen zu können, falls er das Haus abreißen lässt. Nun ist es zu spät. "Es tut mir sehr weh, wenn ich sehe, wie das Haus kaputt gemacht wird", so Franziska Walter, die 50 Jahre lang darin gelebt hat. "Ich hätte das Haus gekauft, aber mit 88 Jahren kann ich mir nicht mehr 150.000 Euro Schulden aufhalsen." Ihre fünf Geschwister sind bereits verstorben, in der Familie gibt es niemanden, der das Haus kaufen könnte. Franziska Walter wüsste gerne, wo die Reliefs ihres Vaters geblieben sind, hat darauf aber keine Antwort von Johannes Arend erhalten. Sie wisse allerdings, dass er keinen Diebstahl bei der Polizei angezeigt habe. So viel hätte er ihr gesagt. Auf Nachfrage bei der Polizei Bitburg bestätigt diese, dass ihr tatsächlich "über den Vorgang nichts bekannt" ist. Ein Fremdverschulden ist daher sehr wahrscheinlich auszuschließen. Franziska Walter versucht sich mit dem Verlust zu arrangieren: "Man muss im Leben von vielem, das man liebt, Abschied nehmen", sagt die 88-Jährige.Meistgelesen
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