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Claudia Neumann

"Ausmaß der Fälle und Untätigkeit des Bistums bedrückend"

Trier/Region. Zweiter Zwischenbericht im Fall Edmund Dillinger mit erschütternden Details vorgestellt.

Auszug aus dem Interview mit einem Betroffenen

Auszug aus dem Interview mit einem Betroffenen

Bild: Screenshot eines Abschnitts des Untersuchungsberichtes

Die ehemaligen Staatsanwäte Jürgen Brauer und Ingo Hromada haben jetzt ihren zweiten Zwischenbericht zum Fall Edmund Dillinger vorgestellt. Darin enthalten sind unter anderem Schilderungen von zum Tatzeitpunkt minderjährigen Jungen, die erschüttern.

Dillinger, Trierer Bistumspriester, Ehrendomherr und Bundesverdienstkreuz-Träger, starb im November 2022. Nach seinem Tod fand sein Neffe Steffen Dillinger im Haus des Onkels im saarländischen Friedrichsthal umfangreiches fotografisches und filmisches Material, das jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch von Jugendlichen belegen soll.

Der zweiten Zwischenbericht der wissenschaftlichen Studie zu den Umständen des Falles Edmund Dillinger bestätige die Einschätzung betreffs des Umfangs und der Brisanz des Falles Dillinger, teilte die Unabhängige Aufarbeitungskommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier mit:

"Die im Bericht dargestellten Fakten sind erschreckend und belastend. Die Taten des Edmund Dillinger erstrecken sich über viele Jahrzehnte und viele Kontinente - oft unter Ausnutzung seiner ehrenamtlichen und vor allem kirchlichen Kontakte. Bedrückend ist das Ausmaß der Fälle, aber mehr noch die weitgehende Untätigkeit nicht nur des Bistums in diesem Fall. Das Nichtstun und Wegsehen so vieler schmerzt und ärgert.

"Vor allem im Bistum, aber auch in anderen Behörden herrschte anscheinend Wegsehen und Versagen"

Speziell die Darstellungen der Vorkommnisse im Jahr 2012 hinterlassen schwerwiegende Fragen an die aktuelle Leitung des Bistums. Warum wurden Hinweise auf Dillingers Taten ignoriert, obgleich wegen lange zurückliegender Fälle sowohl die Staatsanwaltschaft angerufen als auch die entsprechenden Disziplinarmaßnahmen gegen Dillinger umgesetzt wurden? Warum wurde die Strafverfolgungsbehörde nicht auf aktuelle Hinweise hingewiesen?

Fragen richten sich auch an die staatlichen Behörden. Beim jetzigen Erkenntnisstand scheint es fahrlässig, dass die vielen Hinweise auf Edmund Dillinger soweit ersichtlich nicht zu Reaktionen der jeweiligen Aufsichten führten. Vor allem im Bistum, aber auch in anderen Behörden herrschte anscheinend Wegsehen und Versagen. Enttäuscht nimmt die Unabhängige Aufarbeitungskommission zur Kenntnis, dass das Bemühen um Aufklärung im Fall Dillinger bislang nicht die erforderliche Unterstützung durch außerdiözesane kirchliche Stellen erhalten hat. Hier gilt der Appell an die Trierer Bistumsverantwortlichen, diese Unterstützung mit allem Nachdruck einzufordern."

Der Zwischenbericht ist hier einsehbar.

Das Bistum wies den Vorwurf der Untätigkeit in einer Stellungnahme umgehend zurück:

"Im zweiten Zwischenbericht zum Fall Dillinger verweisen die Ermittler Brauer und Hromada darauf, dass die Anzeigenerstattung durch das Bistum gegen Dillinger 2012 aus heutiger Sicht Fragen aufwirft (siehe Bericht S. 22/23). Diesen Fragen werden sich die damals wie heute Verantwortlichen selbstverständlich stellen und stehen für Gespräche mit den Ermittlern zur Verfügung.

Die bereits jetzt erfolgte Bewertung der Unabhängigen Kommission, das Bistum habe 2012 Hinweise auf Taten Dillingers ignoriert, kann nach aktuellem Kenntnisstand nicht nachvollzogen werden (vgl. die Ausführungen im Zwischenbericht zum Agieren des Bistums unter 2.1.3.1).

Eine erneute Überprüfung der im Bistum vorliegenden Informationen hat ergeben, dass sich derzeit nicht sagen lässt, ob über die (im Zwischenbericht auch genannten) gesicherten Informationen hinaus die Bistumsverantwortlichen den Gesprächspartnern bei der Staatsanwaltschaft die Hinweise von pastoral Mitarbeitenden in Bezug auf Dillinger mitgeteilt haben. Ein umfassendes Protokoll über das damalige Gespräch liegt nicht vor. In den Akten des Bistums ist nur eine Notiz über die aus der Sicht des Bistums für das weitere Vorgehen relevanten Ergebnisse des Gesprächs enthalten.

Den damals Verantwortlichen sind 2012 keine neuen Tatverdächtigungen vorgetragen worden; vielmehr handelte es sich um Gerüchte, die sich auf die Vergangenheit Dillingers bezogen haben. Gerade diese Gerüchte haben die Verantwortlichen in den Akten nach Anhaltspunkten dafür suchen lassen. Das Ergebnis dieser Recherche wurde der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Somit haben die Verantwortlichen des Bistums der Staatsanwaltschaft also (belegt) vorgelegt, was sich als "Tatverdacht" erhärtet oder erwiesen hatte.

Wir teilen die Auffassung der Ermittler, dass es hier weiterer Klärung bedarf.

Der Bitte der Ermittler, andere außerdiözesane kirchliche Institutionen um Mithilfe zu ersuchen, kommen die heute Verantwortlichen des Bistums gerne nach und tun dies auch bereits."

 


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