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Britta Scheffen

Der Weg ist das Ziel

"Shinrin Yoku" ist japanisch und bedeutet übersetzt "Baden im Wald". Für dieses "Baden" benötigt man allerdings keine Schwimmkleidung.

Viel mehr ist damit das tiefe Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes gemeint, denn der Wald tut den Menschen gut und hat einen positiven Effekt auf Psyche, Immun- und Herz-Kreislaufsystem.
In Japan hat man schon in den 80er Jahren erkannt, welchen positiven Effekt ein Aufenthalt im Wald auf die Menschen hat. Wer unter Stress leidet und dauerhaft angespannt ist, kann im Wald wieder zu sich selber finden. Elke Greven aus Hellenthal-Schnorrenberg ist Veranstaltungsleiterin für Shinrin Yoku-Events und bevorzugt einen anderen Namen für das Waldbaden: "Waldbaden klingt immer ein bisschen komisch und ich nenne die Ausflüge lieber ‚Waldspürungen', da ich finde, das trifft den Kern der Sache einfach besser". Dass ein Aufenthalt im Wald "gut tut" ist schon lange bekannt, aber ein Waldbaden unterscheidet sich wesentlich von einer Wanderung oder einem Spaziergang im Wald. "Bei einem Spaziergang habe ich einen klaren Startpunkt und ein Ziel und einen festen Weg, den ich gehe; beim Waldbaden aber gehe ich ziellos durch die Gegend, entdecke meine Umgebung wie ein Taucher am Meeresgrund und der Weg ist das Ziel", erklärt Greven. Die bewusste Wahrnehmung der Natur mit allen Sinnen ist der zentrale Aspekt des Waldbadens. Dabei geht es nicht nur um das Betrachten der Bäume und Pflanzen, sondern auch um das bewusste Einatmen der Luft und das Hören der Geräusche um uns herum. Diese Art der Achtsamkeit soll dabei helfen, den Fokus auf das Hier und Jetzt zu legen und dem Gedankenkarussell im Kopf zu entfliehen.

Gesundheitsfördernde Wirkung

Stress ist ein zentrales Problem für die Gesundheit vieler Menschen. Das haben unzählige Studien bewiesen. "Wer den ganzen Tag unter Adrenalin steht und nicht abschalten kann, wird früher oder später gesundheitliche Folgen bemerken", weiß Elke Greven. Der Wald wirkt aus verschiedenen Gründen gesundheitsfördernd. Bäume versprühen sogenannte Terpene. Diese nehmen die Menschen über ihre Atmung und Haut auf. Terpenhaltige Waldluft wirkt sich positiv auf das menschliche Immunsystem aus. Ein Tag im Wald steigert die natürlichen Killerzellen im Immunsystem um 40% und sie bleiben noch 7 Tage erhöht.. Aber schon der Anblick des Waldes, in den Farben Grün und Braun, hat eine beruhigende Wirkung auf Menschen. Das sanfte Licht sowie die kühle und gleichbleibende Temperatur haben ebenso einen positiven Effekt auf die Gesundheit. In Japan sind Waldbesuche sogar schon Teil der Gesundheitsvorsorge und auch in Deutschland widmet man sich in den vergangenen Jahren vermehrt der Forschung rund um das Thema "Waldmedizin". Beim Waldbaden soll der Besucher selber Wege finden, wie er die positiven Effekte der Natur für seine eigene Entspannung einsetzen kann. "Für mich ist es sehr wichtig, dass die Besucher Impulse und Anregungen mit nach Hause nehmen und es im Idealfall schaffen, in ihren stressigen Alltag immer öfter eine bewusste Pause zu integrieren", sagt Greven. Bei den Übungen geht es dabei nie darum, sie möglichst erfolgreich zu absolvieren, sondern immer individuell auf die eigene Wahrnehmung ausgerichtet. Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht. Das Ziel ist viel mehr, den Fokus wieder auf die eigenen Empfindungen und Gefühle zu legen.

Den Wald spüren

Zentral beim Waldbaden ist die Langsamkeit, mit der man sich im Wald fortbewegt. "Dieses extrem langsame Gehen ist für viele Teilnehmer sehr ungewohnt, da man sonst ja in der Regel ein Ziel anpeilt und sein Tempo dementsprechend anpasst", erklärt die Waldführerin. Durch das extrem langsame Gehen hat man deutlich mehr Zeit, die Umgebung zu betrachten. Ein Impuls kann dabei ein Wechsel der Blickrichtung sein. Während man geht, wechselt man in regelmäßigem Abstand seinen Blickwinkel von unten, zur Seite und nach oben. Durch diesen Perspektivwechsel schaffe man es noch besser, seine ganze Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken, erklärt Elke Greven. Verschiedene Atemübungen im Wald unterstützen das Einatmen der gesunden Waldluft und das Fokussieren auf den Moment. Elke Greven lässt ihre Teilnehmer aber auch gerne ausgiebig an Moos oder Bäumen riechen. "Der Wald hat einen eigenen Geruch, den jeder kennt und der die Entspannung noch weiter unterstützt", sagt sie. Auch die Geräusche des Waldes wollen beim Waldbaden entdeckt werden. Das Plätschern eines Baches, das Zwitschern der Vögel und das Flüstern der Baumkronen - die Teilnehmer suchen sich einen gemütlichen Platz im Wald und lauschen für eine längere Zeit den Geräuschen um sie herum. Und auch das Umarmen eines Baumes darf beim Waldbaden nicht fehlen. "Dieses Umarmen wird ja oft ins Lächerliche gezogen und kein Teilnehmer muss das machen, aber ich empfehle jedem, es einmal zu probieren, denn durch die Umarmungen wird das Glückshormon Oxytocin ausgeschüttet", sagt Greven. Was für viele nach Esoterik klingt, hat nachweislich also einen positiven und beruhigenden Effekt auf Körper und Geist.


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