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Britta Scheffen

"Neue Wege bieten Chancen für alle"

Monschau. Drei Bürgermeisterinnen im gemeinsamen Interview mit dem Live Magazin.

Drei inspirierende Frauen, die eine Gemeinsamkeit haben – Dr. Carmen Krämer, Jennifer Meuren und Sabine Preiser-Marian sind Bürgermeisterinnen von Monschau, Blankenheim und Bad Münstereifel und mit vollem Herzblut engagiert in ihrem Amt. Im gemeinsamen Interview mit dem Live Magazin erzählen sie von den persönlichen Herausforderungen, der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie und welchen Einfluss die sozialen Medien in ihrem Berufsalltag haben.

Wie ist ihre ‚ursprüngliche‘ Ausbildung nach der Schule verlaufen und wie kam es dann zum Einstieg in die Politik?

Krämer: Ich habe in Aachen Philosophie und Literaturwissenschaften studiert. Mein Anspruch war auch da schon, Themen aus dem Alltag aufzugreifen und zu überlegen, welche ethischen und gesellschaftlichen Problemstellungen gibt es und wie wir diese lösen können. Diese Themen wollte ich auch in der Praxis angehen und nicht nur theoretisch.

Preiser-Marian: Ich habe ebenfalls in Aachen studiert, allerdings Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing. Zu dieser Zeit habe ich mich schon intensiv mit dem Stadtmarketing befasst. Ich hatte also dort schon eine sehr große Nähe zu den Themen, die später auch eine Kommunalverwaltung bewegen. Zunächst bin ich aber in den Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit eingestiegen in einer Agentur und später dann beim Weiss-Verlag. Dort habe ich ein sehr großes Netzwerk und viele Kontakte gewonnen. Ich wurde dann von meiner Partei gefragt, ob ich für das Amt kandidieren möchte.

Meuren: Ich habe Verwaltungswissenschaften studiert in einem dualen Studium und habe dann parallel bei der Stadt Pulheim gearbeitet. Danach habe ich noch ein Masterstudium im Bereich Human Ressource Management gemacht. Mir war schnell klar, dass ich noch mehr in die strategischen Themen einsteigen möchte und da bietet sich so eine Position an. Mittlerweile sind Sie alle erfolgreiche Bürgermeisterinnen.

War der Entschluss zur Kandidatur einfach, oder hatten Sie vorab Zweifel?

Krämer: Ich hatte nur etwa 10 Tage Zeit und habe sowohl die Tage, als auch die Nächte mit Nachdenken verbracht, bevor ich mich für die Kandidatur entschieden habe. Denn schon ab dem Moment, in dem man sich zur Kandidatur entscheidet, ist man eine öffentliche Person. Und selbst wenn man am Ende nicht gewählt wird, ist man immer diejenige, die mal versucht hat Bürgermeisterin zu werden. Auch mit einem möglichen Scheitern muss man sich beschäftigen.

Preiser-Marian: Vor politischen Anfeindungen hatte ich nicht so sehr Angst, aber als ich mein Amt angetreten habe, waren das auch noch andere Zeiten und die sozialen Medien spielten noch keine so große Rolle. Ich habe eher überlegt, was ich alles aufgeben muss, was kommt auf mich zu und was gewinne ich dazu. Das musste ich alles in die Waagschale werfen. Mein Mann war am Ende der Treiber, der mich ermutigt hat, dass ich die Richtige für diesen Job bin und mich dann auch überzeugen konnte.

Meuren: Man muss ja erstmal seine Komfortzone verlassen und da habe ich natürlich auch überlegt. Ich war ja schon Beamtin in einer gewissen Besoldungsgruppe und das gibt man dann erstmal auf. Jetzt bin ich zwar auch Beamtin, aber nicht mehr auf Lebenszeit, sondern erstmal für die Amtsperiode. Aber ich hatte da schon das Vertrauen, dass der Weg mich trotzdem weiterführt. Ein weiterer Punkt war, dass ich aus dem eigenen Haus heraus kandidiere und dies die Situation bei einer Niederlage nicht einfacher macht.

Vor welchen Aufgaben dieses Amtes hatten Sie vor Amtsantritt den größten Respekt?

Krämer: Ich glaube, wenn man mit zu vielen Zweifeln rangeht, lässt man es besser. Man muss das Selbstbewusstsein haben zu sagen, all das, was ich jetzt noch nicht kann, das lerne ich und erarbeite ich mir.

Preiser-Marian: Ich habe mir da zum Glück nicht so viele Gedanken gemacht und es auch nicht so ganz genau gewusst. Ich war vorher ein Jahr im Stadtrat, ein richtiger Frischling. Das war aber gut so, weil der Spagat zwischen Bürgern, Politik und Mitarbeitern ist nicht so einfach. Auf einmal bist du Forstbetriebsleiterin und hast noch gar keine Ahnung vom Wald. Das geht dann aber schnell und man ist schnell in den Themen drin.

Meuren: Ich hatte den größten Respekt vor der politischen Arbeit, da damals das Klima bei uns sehr vergiftet war aus den letzten Legislaturperioden. Ich kann mich noch gut erinnern, als Sabine (Preiser-Marian; Anm. d. Red.) damals das Grußwort zu meinem Amtsantritt gesendet hat, hat sie geschrieben ‚ein Appell an die Ratsmitglieder – bitte gehen Sie sorgsam mit ihrer Vorsitzenden um‘. Das waren wirklich schöne Worte, die mir Mut gegeben haben. Wir mussten zurück zu einem vernünftigen Klima im Rat, das ist gelungen. Die Zusammenarbeit ist sehr gut.

Welche privaten Abstriche mussten Sie machen, um ihr Amt ausüben zu können?

Krämer: Man gibt einen sehr großen Teil seiner Freizeit auf. Gerade kommt erschwerend hinzu, dass viele Jubiläen und Feiern, die während der Corona-Pandemie ausfallen mussten, nun nachgefeiert werden. Das führt zu einer noch größeren Termin-Dichte und man schafft es natürlich nicht überall zu sein. Auch Wochenendtermine wie Kirmesbesuche werden plötzlich zu „Arbeit“, denn auch dort wird man häufig von Bürgerinnen und Bürgern auf verschiedene Themen angesprochen. Ich freue mich natürlich über die Einladungen und komme auch sehr gern mit den Menschen ins Gespräch. Gleichzeitig hoffe ich auf Verständnis dafür, dass ich einfach nicht auf allen Veranstaltungen sein kann und ab und zu auch noch private Termine habe.

Preiser-Marian: Ich trenne das Private und Berufliche eigentlich gar nicht mehr. Ich habe für mich entschieden, dass dies alles mein Leben ist und dass das ineinander übergeht. Ich nehme meine Familie ganz oft mit zu Terminen und wenn meine Tochter keine Lust mehr hat, geht sie wieder. Das ist nachher gelernt. Aber anfangs ist das nicht immer einfach.

Meuren: Es ist ein 24/7-Job. Man hat nicht nur die Besuche am Wochenende, sondern ist unter der Woche ja auch Leiterin der Verwaltung. Auch da muss man präsent sein. Wenn man allem gerecht werden möchte, bleibt nicht mehr viel Zeit. Man muss lernen, Zeit gut einzuteilen und Freiräume zu finden und zu nutzen.

Haben Sie noch Zeit für Hobbys und Freizeit?

Krämer: Ich gebe immer noch Zumba-Kurse in der Tanzschule und der Sport ist mir extrem wichtig als Ausgleich, denn man sitzt einfach den Großteil des Tages in Besprechungen und Terminen. Die sportliche Auszeit ist wichtig und ich denke, die steht auch einer Bürgermeisterin zu.

Meuren: Ich habe kein klassisches Hobby, da die Zeit das aktuell nicht zulässt. Wie gesagt, verbringe ich meine Freizeit dann gerne mit Freunden und Familie.

Die Flut im vergangenen Jahr war besonders für Sie Frau Meuren und Frau Preiser- Marian ein einschneidendes Erlebnis. Wie haben Sie diese Zeit und die Zeit des Wiederaufbaus erlebt?

Preiser-Marian: Man lernt, wie man in einer Krise funktioniert und wo die eigenen Grenzen sind, aber auch wie man über sich hinauswächst. Ich erinnere mich gut, wie zwei Wochen nach der Flut das Kanzleramt angerufen hat und sagte die Kanzlerin wolle kommen. Und ich habe sofort Forderungen gestellt, und zwar dass sie nicht nur nach Bad Münstereifel, sondern auch nach Iversheim und Arloff kommen soll. Normalerweise wäre ich vor Nervosität geplatzt, aber das war da überhaupt nicht der Fall. Da war ich erstaunt von mir selber. Auch meine Mitarbeiter habe ich in ihren Stärken ganz neu kennengelernt. In der Verwaltung hat uns dieses Erlebnis sehr zusammengeschweißt. Die ersten Tage waren ein absoluter Ausnahmezustand. Man konnte einfach nicht fassen, was da passiert und eine Meldung jagte die nächste. Ich glaube, so hat man sich auch im Krieg gefühlt.

Meuren: In den ersten Tagen und Wochen nach der Flut hat man einfach nur funktioniert. Ich war von morgens bis spät abends erreichbar und hatte einen sehr engen direkten Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern. Ich bin auch oft in die Ortschaften gefahren, um persönlich ansprechbar zu sein. In dieser Zeit hat man Krisenmanagement direkt kennengelernt.

Warum gibt es immer noch weniger Frauen in der Lokalpolitik als Männer? Haben Sie Tipps für Frauen, die sich gerne engagieren möchten?

Krämer: Ich denke ein möglicher Grund ist das Thema Familienplanung. Durch die Befristung des Bürgermeisteramtes fehlt vielen vielleicht die Planungssicherheit. Und ich glaube auch, dass viele Frauen es sich nicht zutrauen. Aber da möchte ich gerne einen Appell an die Frauen richten: Traut euch! Die Männer können das auch nicht besser als ihr.

Preiser-Marian: Ich glaube wie in jedem Beruf liegt hier ein Gleichstellungsthema zu Grunde. Man muss natürlich schauen, wie teilt man die Aufgaben rund um die Kindererziehung auf. Ich hatte damals das Glück, dass mein Mann mir den Rücken freigehalten hat und in die Elternzeit gegangen ist. Es ist einfach wichtig, dass die Gleichstellung gelebt wird und die Gesellschaft das akzeptiert. Die Digitalisierung schafft auch viele Möglichkeiten und es lässt sich viel Zeit einsparen.

Meuren: In den Räten haben wir auch leider immer noch viel zu wenig Frauen.

Krämer: Und das führt dazu, dass bestimmte Personengruppen dort auch nicht repräsentiert sind. Es wäre ja toll, beispielsweise eine alleinerziehende Mutter als Mitglied im Sozialausschuss zu haben, damit sie dort ihre Ansichten und Ideen vortragen kann.

Wie erleben Sie die Akzeptanz ihrer Position und gibt es Unterschiede in der Zusammenarbeit mit Frauen und Männern?

Krämer: Ich kann das nicht verallgemeinern. Man begegnet natürlich immer Herausforderungen mit Menschen, sowohl männlich als auch weiblich und das hängt nicht mit dem Geschlecht zusammen.

Meuren: Ich merke da auch keine Unterschiede. Ich hatte kürzlich noch ein Gespräch mit Landwirten und die sagten mir am Ende noch, dass sie das Gespräch richtig nett fanden und sich erst mal dran gewöhnen mussten, dass sie jetzt von einer Frau geführt werden. Das fand ich einfach total ehrlich und sympathisch.

Welche Rollen spielen die sozialen Medien in ihrer Arbeit? Welche Vor- und Nachteile bieten diese Kanäle?

Krämer: Ein großer Vorteil ist, dass wir mithilfe der sozialen Medien für mehr Transparenz sorgen und die Bürgerinnen und Bürger einfacher erreichen können. Gleichzeitig besteht natürlich immer auch die Gefahr, dass Kommentare auf einen zukommen, die belastend sind.

Preiser-Marian: Dank der sozialen Medien hat man schnelle Wege und kann Informationen ziemlich unkompliziert und zügig nach außen geben. Das ganze erfordert natürlich Zeit und da braucht man Unterstützung.

Meuren: Soziale Medien sind sehr wichtig, um zu informieren, ein Stimmungsbild zu erhalten und gehören für eine moderne Bürgermeisterin dazu.

Was sind ihre persönlichen Ziele für ihre Amtszeit? Welches Fazit möchten Sie am Ende gerne ziehen?

Preiser-Marian: Mein Ziel war von Anfang an intensiv in die Stadtentwicklung einzutreten. Ich habe viele Fördermittel generiert. Eigentlich hätten wir letztes Jahr mit den baulichen Maßnahmen begonnen, aber da kam die Flut. Die Pläne sind also in der Schublade und es wird weiter aufgebaut. Unser Tenor ist immer nachhaltig, digital und innovativ. Die Bürger sollen sich bei uns in der Kommune wohlfühlen und das ist meine Herzensangelegenheit. Ich hoffe, dass ich nach dem Ende dieser Amtszeit sagen kann, dass es in Bad Münstereifel ein Stück „enkeltauglicher“ geworden ist.

Meuren: Man hat natürlich einige Themen, die man im Wahlkampf platziert und daran wird man am Ende ja auch ein Stück gemessen. Bei mir war das zum Beispiel der Waldkindergarten. Und den haben wir schon umgesetzt und das eigentlich sogar in Rekordzeit. Ich persönlich wünsche mir, dass ich mir selber treu bleiben kann und mich nicht verbiege, sondern immer hinter meinen Entscheidungen stehe.

Krämer: Ich möchte mir auch weiter treu bleiben und mich nicht blockieren lassen. Und ich hoffe, dass es mir gelingt, den Menschen zu zeigen, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es schon immer war, sondern dass Neues auch tolle Chancen für alle bietet.

 


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